Revolution (1985)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Filmische Geschichtsklitterung

„Vor der Revolution war alles Bestreben; nachher verwandelte sich alles in Forderung.“ (aus Johann Wolfgang von Goethe: Maximen und Reflexionen)
Wer als Cineast an Hugh Hudsons spätromantisches Historien-trifft-Kostümfilm-Drama Revolution (1985) denkt, das nun zum ersten Mal auf Blu-ray erscheint (bei EuroVideo), hat unweigerlich rasch die Beatles im Ohr: „The long and winding road“. Vieles schien von vorherein steinig und regelrecht wie verhext gewesen zu sein für diesen an sich ambitioniert angelegten, hochbudgetierten (28 Millionen US-Dollar) und mit damaligen Top-Stars (u.a. Nastassja Kinski, Donald Sutherland, Joan Plowright) gespickten Revolutionsfilm made in Britain.

Das begann für den zu dieser Zeit ganz oben schwimmenden Briten Hudson (Chariots of Fire/1981) bereits beim mühsamen Casting-Prozess, weil der eigentliche Poster-Mann des Films – immerhin: Al Pacino! – bis zum Drehstart zur Winterzeit in Ostengland und Norwegen immer noch nicht wirklich fit war, aber von Produktions- wie Regieseite her unbedingt für die Rolle des Vaters, Trappers und späteren Revolutionskämpfers Tom Dobb verpflichtet worden war: Auf Teufel komm raus, was dem ungelenken Spiel des früheren Über-Schauspielers gleich in mehreren Szenen durchaus anzusehen ist. Vom Regisseur ist dazu das berühmte Bonmot überliefert, „dass Pacino in keinem anderen Filme mehr rennen musste als bei ihm“, was so tatsächlich wahr ist. Überaus problematisch ist dabei nur, dass ihm Hugh Hudson am Set wohl nie sagte: Wohin – und wozu überhaupt?

Das ging weiter in der technisch-ästhetisch zeitweise sehr gelungenen Kameraarbeit von Bernard Lutic, die mit verspielter Handkamera, berauschenden Totalen in den Kriegsszenen und einem feinem Gespür für markante Details in den Großaufnahmen der Schauspielgrößen in jeden Kubrick-Film gepasst hätte, nur eben nicht in diesen dramaturgisch weitgehend zerfaserten, sich bereits in der ersten halben Stunden in Selbstauflösung befindlichen, insgesamt äußerst hybriden Kostümschinken: Ohne Herzblut – und mit öligem Pathos in Szene gesetzt, untermalt von fürchterlicher Katzenmusik (John Corigliano wurde zurecht für die Goldene Himbeere nominiert), mit wenig Verstand für die realhistorischen Zusammenhänge der – zugegebenermaßen – nicht besonders einfachen Kolonial- und Kriegsgeschichte im Zuge des US-amerikanischen Revolutionsbewegung.

Vieles wirkt hier visuell nur anzitiert – Barry Lyndon (1975) schwebt beispielsweise wie ein filmisch unerreichbarer Koloss aus der Ferne über dem Film –, ebenso vieles bleibt allerdings auf narrativer Ebene pure Staffage, um auch wirklich jeden, weitestgehend von norwegischen Zahnärzten (!) investierten US-Dollar irgendwie irgendwo in irgendeiner der wahllosen Einstellungen aufblinken zu sehen. Die Liebe zur historischen Ausstattung, zur pompösen Garderobe wie zur streckenweise brillanten – weil durch und durch ehrlichen – Kriegsszenerie ist in Revolution trotzdem mitunter vorzüglich.

Auch etwaige Fehlbesetzungen durch populäre Künstler der End-1970er und frühen 1980er Jahre wie zum Beispiel Annie Lennox (als: ja, als was eigentlich?) und den Rocky Horror Picture Show-Mastermind Richard O’Brien (als wüsten, aber wenig bissigen Edelmann) nimmt mancher Zuschauer sicherlich in Kauf, weil selbst jene darstellerischen Ausreißer von Lutic‘ Kameraarbeit mehrfach noch ausgebügelt werden können.

Nur gegen Robert Dillons auffällig blutarmes Drehbuch kommt eben selbst ein hervorragender Kameramann irgendwann nicht mehr an: Vollgestopft mit plumpem Symbolismus, ätzender Schwarz-Weiß-Malerei in den Charakteren, vielfach unstimmig erscheinenden Ellipsen – Terrence Malicks Days of Heaven (1978) lassen leise grüßen – und einem aufgesetzt wirkenden Heroismus in der misslungen Vater-Sohn-Geschichte, der nun so gar nicht zur amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung passt, die sich im Hintergrund vor allem durch internen Zwist und reine Interessenspolitik auszeichnete: „Nur die Dummen“ (George Washington) standen sich da auf den Schlachtfeldern gegenüber, während parallel die nächsten Landverkäufe stattfanden – oder weitere Ureinwohner entrechtet wurden.

Daher zeichnet sich Revolution in toto gerade durch diese Unangemessenheit der verwendeten Stilmittel wie der über weite Strecken ins Leere laufenden Erzählmuster mustergültig aus – nur eben unfreiwillig als bad-taste-Exempel. Vielleicht stand aber hinter Hudsons filmischer Geschichtsklitterung des US-amerikanischen Unabhängigkeitskampfes am Ende einfach nur folgender Gedanke: die Rache des britischen Mutterlandes.

Revolution (1985)

„Vor der Revolution war alles Bestreben; nachher verwandelte sich alles in Forderung.“ (aus Johann Wolfgang von Goethe: „Maximen und Reflexionen“)
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Meinungen

Andreas Ullrich · 29.07.2020

John Corogliano komponiert Katzenmusik? Der Score dieses Ausnahmekomponisten der klassischen Avantgarde ist hoch anspruchsvoll und eine der kunstvollsten Filmmusiken der 80er Jahre. Allein sein CHILDRENS THEME ist pure Magie. Die GOLDENE HIMBEERE ist ein schlechter Witz und zeugt, ebenso wie die Einschätzung dieses Autors, von mangelndem Musikverständnis. Musik und Bilder sind die zeitlosen Highlights in diesem kunstvollen und inflationär missverstandenen Filmscheitern.