Die Stunde, wenn Dracula kommt (1960)

Eine Filmkritik von Martin Beck

Schwarze Schatten

Über Die Stunde wenn Dracula kommt zu reden, heißt vor allem, die allerorts anwesenden Superlative einer kritischen Therapiesitzung zu unterziehen. Jaha, der Film ist großartig und wegweisend und immer noch ein Musterbeispiel für gothische Gänsehäute. Aus filmhistorischer Sicht kommt man unmöglich um ihn herum, doch wer hier unvorbereitet eine neue Dimension des Horrors erwartet, sollte sich mal besser zunächst assimilieren. Auf ein gaaanz langsames Tempo, auf Schauspieler, die mitunter große Gesten markieren, auf eine nicht vollends stimmige Geschichte, auf zwar wirkungsvolle aber dennoch schlichte Tricks. Es ist bei diesem Film immens wichtig, mit der richtigen Einstellung heranzugehen. Erst dann können die Hände getrost in Klatschstellung gebracht werden.

Nicht von ungefähr nämlich wird Die Stunde wenn Dracula kommt als Meilenstein des Genres wahrgenommen. Der guten alten Tradition Italiens folgend, immer nochmal einen draufzusetzen, inszeniert Regisseur Mario Bava den ‚hammerigsten‘ aller Hammer-Filme, voller Schatten, expressionistischer Kanten, endloser Spinnweben und wild wabernder Nebelschwaden. Man betritt hier ein schwärzliches, imposant aufragendes Galeriegemäuer, an dessen Wänden sich unheimliche Gemälde aufreihen. Bava schwebte eine Art bildgewordener Märchen-Alptraum vor, ein Sinnbild gothischer und barocker Verschwendung. Mit der richtigen Einstellung kann man hier kopfüber eintauchen und in einer einnehmenden Atmosphäre baden, die trotz ihrer ausgestellten Künstlichkeit jederzeit fesselt. Es ist schon erstaunlich, wie ungemein facettenreich die ‚Farben‘ Schwarz und Weiß sein können.

Stil und Atmosphäre sind bei Die Stunde wenn Dracula kommt alles, die Geschichte dagegen bleibt überschaubar. Dracula ist hier weit und breit nicht zu sehen, dafür aber die Hexe Asa (Barbara Steele), die mittels einer dornenbewehrten Satansmaske brutal hingerichtet wird. Als Jahrhunderte später zufällig Blut in ihrer Gruft vergossen wird, erwacht sie zu neuem ‚Leben‘ und pirscht fortan als gelöcherter Dämon durch geschmackvoll arrangierte Settings. Praktisch jedes Bild des Films unterstreicht ihre Bösartigkeit, die morbide Stimmung bleibt so bleiern wie konsequent. Mario Bava beweist bereits mit seinem ersten Film als Regisseur luftige Ambitionen, die ihn als großen Stilisten markieren, egal wie klein das Budget auch gewesen sein mag. Ein Beispiel hierfür ist die wunderbare Szene, als Asa einer jungen Frau (ebenfalls gespielt von Barbara Steele) die Lebensenergie aussaugt. Während die eine immer jünger wird, graben sich der anderen zunehmend tiefe Furchen ins Gesicht. Eine beeindruckende Demonstration visueller Kreativität.

Und das ist es, was bei Die Stunde wenn Dracula kommt wirklich hängen bleibt. Dass hier ein frischer Regisseur eine schier überbordende Handschrift offenbart, trotz begrenzter Mittel, und mit klarer Linie sein Ziel verfolgt. Der Film war in mehrerer Hinsicht wegweisend, auch was die (für damalige Verhältnisse) harsche Gewalt angeht, und gilt als Wegbereiter für Bavas weitere Werke. Wer hier die zu Beginn angesprochenen Holpersteine wahrnehmen möchte, bekommt ganz sicher Gelegenheit dazu, doch im großen Ganzen sind sie nur von untergeordneter Bedeutung. Für solche Filme ist das Blu-ray-Format wie geschaffen, insofern stimmt es froh, dass die Veröffentlichung von Koch Media kaum Wünsche offen lässt. Anwesend sind ein knuspriges Bild, satter Ton und etliche Extras, wie zum Beispiel ein Audiokommentar von Tim Lucas oder Interviews mit Barbara Steele und Lamberto Bava. Wer bereits die ebenfalls sehr gute DVD von ems hat, braucht hier wohl nicht nochmal Geld hinzulegen, zumal der Preis mal wieder Mediabook-Höhen erreicht, doch alle anderen können nicht viel falsch machen. Eine vorbildlich präsentierte und einfach sehr schöne Veröffentlichung!
 

Die Stunde, wenn Dracula kommt (1960)

Über „Die Stunde wenn Dracula kommt“ zu reden, heißt vor allem, die allerorts anwesenden Superlative einer kritischen Therapiesitzung zu unterziehen. Jaha, der Film ist großartig und wegweisend und immer noch ein Musterbeispiel für gothische Gänsehäute. Aus filmhistorischer Sicht kommt man unmöglich um ihn herum, doch wer hier unvorbereitet eine neue Dimension des Horrors erwartet, sollte sich mal besser zunächst assimilieren.

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