Das Hochzeitsbankett (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Freiheit und Tradition

Ang Lees zweiter Spielfilm Das Hochzeitsbankett erwies sich im Jahre 1993 als globaler Überraschungserfolg: Die taiwanisch-US-amerikanische Co-Produktion wurde im Wettbewerb der 43. Internationalen Filmfestspiele Berlin ex aequo mit dem chinesischen Beitrag The Women from the Lake of Scented Souls mit dem Goldenen Bären prämiert; obendrein erhielt das Werk unter anderem Golden-Globe- und Oscar-Nominierungen sowie einen Award als outstanding film im Independent-Bereich von der Gay & Lesbian Alliance Against Defamation (GLAAD). Sieht man den Film mehr als 20 Jahre später (erneut), versteht man rasch, weshalb er damals auf eine derart starke und positive Resonanz stieß. Der Mix aus moderner screwball comedy, Satire und Familiendrama verknüpft die Qualitäten des klassischen Hollywood-Erzählkinos mit dem Mut und der Unkonventionalität des Indie-Sektors, wodurch etwas ganz Eigenes geschaffen wird. Dem zentralen Konflikt zwischen individueller Freiheit und Tradition widmet sich Das Hochzeitsbankett sowohl mit Witz als auch mit Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der aus Taiwan stammende, junge Immobilienbesitzer Wai-Tung (Winston Chao), der mit seinem Freund Simon (Mitchell Lichtenstein) in Manhattan lebt. Das Paar führt eine glückliche Beziehung, wenngleich sich Wai-Tung etwas zu sehr in seine Arbeit vertieft. Dessen Eltern Mr. und Mrs. Gao (Sihung Lung und Ya-Lei Kuei) wissen in der fernen Heimat nicht, dass Wai-Tung einen Mann liebt – und hoffen daher, dass ihr Sohn bald eine Frau finden wird. Um sie zufriedenzustellen, ersinnen Wai-Tung und Simon einen Plan: Wai-Tung soll eine Scheinehe mit der arbeitslosen Künstlerin Wei-Wei (May Chin) eingehen, wodurch diese zugleich die dringend benötigte Greencard erhielte. Als sich Mr. und Mrs. Gao daraufhin zu einem Besuch entschließen, beginnt ein Rollenspiel, das zunächst zu einer spontanen, unglamourösen Hochzeit im Rathaus führt. Aber dabei bleibt es nicht: Ein opulentes Hochzeitsbankett wird ausgerichtet – und ein emotionales Chaos nimmt seinen Lauf.

Dies könnte nun der Stoff einer platten, albernen Klischeeparade sein. Das Drehbuch, dessen Ausgangsidee auf den Erlebnissen des mit Ang Lee befreundeten Journalisten Neil Peng beruht, wird jedoch all seinen fünf Hauptfiguren vollauf gerecht. Niemand von ihnen erfüllt nur eine dramaturgische Funktion – weder die konservativ auftretenden Eltern noch die verzweifelte Alibi-Ehefrau oder der schwule Lebenspartner, der im Rahmen des Rollenspiels zum ‚Vermieter‘ des vermeintlichen Paares wird und sich mehr und mehr ausgeschlossen fühlt, nicht zuletzt aufgrund der sprachlichen Barrieren. Man spürt als Zuschauer_in dank der feinsinnigen Figurenzeichnung und der durchweg überzeugenden schauspielerischen Leistungen, dass es sich hier um Menschen handelt, die einander sehr viel bedeuten. Darüber hinaus entstehen im Laufe des Geschehens einige ungeahnte Bindungen, aus denen sich schöne, tragikomische Momente ergeben. Das Hochzeitsbankett bietet den raren Fall eines bittersüßen Happy Ends, das nichts Verlogenes, Falsches an sich hat: Sie weine, weil sie glücklich sei, sagt Mrs. Gao am Schluss – und man kann diese paradoxe Reaktion ganz und gar nachvollziehen. Das kluge Skript wurde von Lee in satten Farben und mit stimmiger Musikuntermalung umgesetzt; neben der langen Passage, in der das titelgebende Bankett gezeigt wird, hinterlassen vor allem die New-York-Aufnahmen einen tiefen Eindruck, durch die der Film auch zu einem interessanten Zeitdokument wird.

Das Bonusmaterial der Blu-ray von Koch Media enthält drei Featurettes. Im ersten äußert sich Lee zu den Hintergründen des Werks; im zweiten kommt James Schamus zu Wort, der Das Hochzeitsbankett mitproduzierte und bei der Überarbeitung des Drehbuchs dafür sorgte, dass die Story mit mehr Humor erzählt wird. Ferner schildert Mitchell Lichtenstein seine Erinnerungen an den Dreh: Als Simon verkörpert er eine Person, die einerseits als Identifikationsfigur für das westliche Publikum fungieren und andererseits als Inkarnation der damaligen queeren Szene im West Village dienen soll. Allen drei Interviewten ist der berechtigte Stolz anzumerken, Teil dieses progressiven, großartigen Ensemblestücks zu sein.

Das Hochzeitsbankett (Blu-ray)

Ang Lees zweiter Spielfilm „Das Hochzeitsbankett“ erwies sich im Jahre 1993 als globaler Überraschungserfolg: Die taiwanisch-US-amerikanische Co-Produktion wurde im Wettbewerb der 43. Internationalen Filmfestspiele Berlin ex aequo mit dem chinesischen Beitrag „The Women from the Lake of Scented Souls“ mit dem Goldenen Bären prämiert; obendrein erhielt das Werk unter anderem Golden-Globe- und Oscar-Nominierungen sowie einen Award als „outstanding film“ im Independent-Bereich von der „Gay & Lesbian Alliance Against Defamation“ (GLAAD).
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