Alone (2015)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Not Another Zombie Movie

Erwachsenwerden heißt, zu einem Monster zu werden. Das ist im übertragenen Sinne eine Tatsache des Lebens und im wörtlichen Sinne die Prämisse des Films Alone von Thierry Poiraud. Die französisch-spanische Koproduktion entwirft ein Endzeitszenario, in dem eine Gruppe junger Menschen nicht nur mit den Dämonen der Pubertät zu kämpfen hat, sondern auch mit aggressiven, zombifizierten Wesen, die kurz zuvor noch Autoritätspersonen waren. Der Topos ‚Coming of Age in der Postapokalypse‘ ist natürlich nicht neu – und gewiss reicht der 80-Minüter nicht an die Dramatik und Spannung der Tribute-von-Panem-Reihe oder die beklemmende Dimension der Cormac-McCarthy-Adaption The Road heran. Dennoch gelingt es dem Skript von Marie Garel Weiss und der Umsetzung von Poiraud, die Verzweiflung sowie die im Titel auf den Punkt gebrachte Einsamkeit der juvenilen Hauptfiguren fühlbar zu machen und dadurch mehr als einen weiteren formelhaften Genrebeitrag entstehen zu lassen.

Schauplatz der Handlung ist eine nicht näher bezeichnete Insel, auf der Bastian (Fergus Riordan), Pearl (Madeleine Kelly), Liam (McKell David), May (Natifa Mai), Shawn (Darren Evans) und Thomas (Diego Méndez) ihr Dasein in einem Heim fristen. Die Vorstellungen der Jugendlichen von der eigenen Zukunft sind teils pragmatisch, teils von Hoffnungslosigkeit geprägt. Als eines Tages das gesamte Aufsichtspersonal verschwunden ist, nutzt das Sextett zunächst die Gelegenheit, um den versteckten Alkohol zu konsumieren; später begibt es sich in die nahe gelegene Stadt. Dort muss die Clique bald bemerken, dass alle Erwachsenen zu mörderischen Bestien mutiert sind. Auf der Flucht erweisen sich auch Begegnungen mit Kindergruppen, die in den Teenagern eine potenzielle Bedrohung sehen, als tödliche Gefahr.

Das Drehbuch zu Alone bedient sich ganz unverkennbar des stereotypen Figurenarsenals der Adoleszenzfiktion: Es gibt den Macho und den Schüchternen, die selbstbestimmte Trotzige und die weit weniger selbstbestimmte Unsichere sowie den Spaßvogel und den vermeintlichen Freak, der sich als sensible Seele mit tragischer Hintergrundgeschichte entpuppt. Dass der Film ungeachtet dieser mangelnden Originalität als Reifedrama zu überzeugen vermag, liegt an einigen Brüchen mit den Klischees, etwa im Verlauf der sich anbahnenden Liebesbeziehung zwischen Bastian und Pearl. Auch das Spiel der Nachwuchstalente – insbesondere von der Debütantin Madeleine Kelly – wertet die Rollen erheblich auf. Die Figuren werden als traumatisierte, vom Leben beziehungsweise ihren Eltern enttäuschte Menschen ernst genommen – bedauerlich ist aber, dass der Plot nach einer Body-Count-Dramaturgie abläuft, wie man sie aus Slasher-Filmen kennt: Wer hier (meist recht abrupt) den vorzeitigen Tod findet und gar in welcher Reihenfolge das passiert, ist kaum überraschend. Diese zynische Erzählstruktur steht mit den vielen gefühlsbetonten, empathisch geschriebenen, inszenierten und dargebotenen Passagen in einem unauflöslichen Widerspruch – was nicht wie eine intendierte Irritation des Publikums, sondern schlicht wie ein unstimmiges Konzept wirkt.

Über den Ursprung der fatalen Epidemie werden die Zuschauer_innen gänzlich im Ungewissen gelassen. Damit fehlt dem Werk zwar die politische Schlagkraft von Filmen wie George A. Romeros Crazies; dem Geschehen wird so jedoch ein durchaus reizvoller Hauch der frühen Peter-Weir-Rätselhaftigkeit (zum Beispiel in Picknick am Valentinstag) verliehen. Hierzu passen die großartigen, auf Teneriffa und Gran Canaria entstandenen Naturaufnahmen, mit denen Poiraud und sein Kameramann Matias Boucard immer wieder eine lyrische Stimmung erzeugen. Alles in allem ist Alone ein unausgegorenes, aber nicht uninteressantes Stück Coming-of-Age-Kino, dessen Beteiligte durchweg Talent demonstrieren.
 

Alone (2015)

Erwachsenwerden heißt, zu einem Monster zu werden. Das ist im übertragenen Sinne eine Tatsache des Lebens und im wörtlichen Sinne die Prämisse des Films „Alone“ von Thierry Poiraud. Die französisch-spanische Koproduktion entwirft ein Endzeitszenario, in dem eine Gruppe junger Menschen nicht nur mit den Dämonen der Pubertät zu kämpfen hat, sondern auch mit aggressiven, zombifizierten Wesen, die kurz zuvor noch Autoritätspersonen waren.

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