Trees Lounge – Die Bar, in der sich alles dreht

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Triste Trinkerei

Wenn Tommy (Steve Buscemi) morgens an der Tankstelle auftaucht, wo er bis vor kurzem noch als Automechaniker gearbeitet hat, und schnoddrig seinen Unmut über seinen früheren Chef Rob (Anthony LaPaglia) auskotzt, der ihn gefeuert hat und nun mit seiner langjährigen Freundin Theresa (Elizabeth Bracco) liiert ist, wirkt er zunächst wie das Opfer übler Absichten und Umstände. Doch so allmählich wie beiläufig entspinnt sich ohne ausführliche Details die Geschichte eines Mannes Anfang dreißig in einer so handfesten wie unspektakulär gezeichneten, offenbar selbstverschuldeten Krise, die keinem in seiner Nachbarschaft eines gemächlichen Ortes von Long Island verborgen bleibt.
Tommy ist ein Trinker, auch gelegentlich anderen Rauschmitteln nicht abgeneigt, und wenn er in seiner Stammbar ‚Trees Lounge‘ direkt unter seiner Wohnung zehn Dollar Belohnung angeboten bekommt, falls er tatsächlich wie angekündigt nur einen Drink nimmt, dann wird deutlich, wie transparent und doch akzeptiert seine Sucht dort ist, wie wohl die eines jeden zahlenden Gastes. Und doch ist diese schummrige Lokalität für Tommy und so einige andere mehr als lediglich eine Zapfstelle, denn hier trifft man sich und pflegt das karge Kontingent an trinkseligen Rest-Beziehungen.

Seinen ersten eigenen Film als Drehbuchautor und Regisseur hat der Schauspieler Steve Buscemi (Reservoir Dogs, Fargo) im Jahre 1996 mit Trees Lounge – Die Bar, in der sich alles dreht realisiert und kein Geheimnis daraus gemacht, dass dieses ungeheuer authentisch wirkende Porträt eines orientierungsarmen Trinkers reichlich autobiographische Züge trägt. Dass Steve Buscemi diese selten einmal erträglichen bis gleichgültigen, meist dumpfen bis verzweifelten Gemütszustände seiner Hauptfigur offensichtlich mit Leichtigkeit nachempfinden und mit großartiger Überzeugungskraft zu verkörpern vermag, beweist sein unauffällig filigranes Agieren im verlorenen Spannungsfeld zwischen Aufbegehren und Aufgeben. Als derart verunsichert und gelähmt präsentiert er diesen Charakter, dass dessen Desolation nicht einmal mehr in einer würdigen Katastrophe kulminieren kann oder die Andeutung einer Läuterung oder Rettung findet und er schließlich wie ein Schuljunge öffentlich verprügelt wird. Am Ende weiß er nicht einmal, ob nun er oder Rob der Vater des Kindes ist, das Theresa geboren hat, die sich vermutlich nicht einmal vorrangig gegen Tommy entschieden hat, sondern für Solidität und Sicherheit für sich selbst und das Baby.

Mit entschleunigter, geradezu zähflüssiger Melancholie mäandert das Dasein dieses stark schwächelnden Prototyps eines Antihelden dahin, ohne dass er auch nur fähig ist, Theresas jugendlicher Nichte Debbie (Chloë Sevigny), die seine Freundschaft sucht, beizustehen, als ihr Vater Jerry (Daniel Baldwin) herausfindet, dass seine Tochter bei Tommy genächtigt hat. So sieht er stammelnd zu, wie Jerry im Zorn den Eiswagen demoliert, den er von der Familie seines verstorbenen Onkels Al (Seymour Cassel) zur Überbrückung der Joblosigkeit geborgt bekam, während sein Saufkumpan Mike (Mark Boone Junior) möglicherweise gerade endgültig von seiner Frau abserviert wird, die ihn bereits mit ihrer kleinen Tochter verlassen hat. Weder für sich selbst, noch für andere kann Tommy mehr eintreten, und so mutiert er zunehmend zum bleichen, auswechselbaren Trunkenbold, der gute Chancen hat, in der ‚Trees Lounge‘ auf dem Barhocker seines Vorsitzers Bill (Bronson Dudley), der gerade in der Klinik gelandet ist, zu verschimmeln. Zu diesen Bildern terribler Trostlosigkeit gesellt Steve Buscemi seufzende Songs aus den 1950er und 1960er Jahren sowie den sanften Sound von Evan Lurie, die Tragik der Geschichte in ihrer bewussten Banalität atmosphärisch begleitend.

Schnörkellos, tapfer und zugleich angenehm zurückhaltend erscheint Trees Lounge trotz seines albernen deutschen Zusatztitels sowie wohlweislich fehlender Sachlichkeit, Moral und Stilisierung einem präzisen Porträt und einer akribischen Studie gleich, die zwar Belanglosigkeit demonstriert, doch eben darin auch die gezähmte Brisanz verortet, mit psychologischer Raffinesse und jenseits der in derlei Filmen üblichen räudigen Romantik. Mit großer Ernsthaftigkeit hat Steve Buscemi es hier gewagt, zu dem Abgrund zurückzublicken, dem er mehr oder weniger zufällig durch seine Hinwendung zum Schauspiel entronnen ist, und die bei Zeiten leise aufflackernde Heiterkeit des Films bewahrt ihn ausreichend vor seichter Melodramatik.

Trees Lounge – Die Bar, in der sich alles dreht

Wenn Tommy (Steve Buscemi) morgens an der Tankstelle auftaucht, wo er bis vor kurzem noch als Automechaniker gearbeitet hat, und schnoddrig seinen Unmut über seinen früheren Chef Rob (Anthony LaPaglia) auskotzt, der ihn gefeuert hat und nun mit seiner langjährigen Freundin Theresa (Elizabeth Bracco) liiert ist, wirkt er zunächst wie das Opfer übler Absichten und Umstände.
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