Die Ferien des Monsieur Hulot (1953)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein schüchterner, schrulliger Herr macht Urlaub

Es ist sommerliche Ferienzeit, und die dafür typischen Mobilitäten in Richtung Strand und Meer ereignen sich in diesem Film am Bahnhof und auf der Landstraße, wie die Eingangssequenzen dynamisch dokumentieren. Hier bewegen sich Einzelne, Paare, Familien und andere Gruppen mit ihrem Gepäck gen Atlantikküste zum französischen Urlaubsort Saint-Marc-sur-Mer, um dort im Hôtel de la Plage oder auch anderswo im Ort unbeschwerte, sonnige Tage im Rhythmus der freien Zeiten zu verbringen. Da reisen die unterschiedlichsten Automobile und auch vereinzelt mal Fahrräder Richtung Ozean, doch ein visuell wie akustisch auffälliges Amilcar älteren Baujahrs beschert seinem hoch aufgeschossenen Eigentümer unterwegs zunächst deutlich mehr Malässen als Meilensteine: Monsieur Hulot (Jacques Tati) tritt auf, und damit feiert die berühmte Figur des französischen Komikers und Filmemachers Jacques Tati (1907-1982) ihr Kinodebüt.

Ursprünglich als Farbfilm gedreht, erschien Die Ferien des Monsieur Hulot 1953 dann doch mit Ausnahme einer Sequenz am Ende in Schwarzweiß in den französischen Kinos, und diese späte Entscheidung des Regisseurs passt ganz wunderbar zu den weiteren Stummfilmästhetiken dieser sanften, gemächlichen Komödie. Zwar wird durchaus gesprochen und lässt auch das Radio einige Texte aufklingen, doch die Verbalität, auf die der kauzige Held der Geschichte selbst beinahe gänzlich verzichtet, spielt lediglich eine unbedeutende Rolle. Vielmehr sind es die unterschiedlichsten Geräusche, die harmonische, fröhliche bis melancholische Musik von Alain Romans sowie ein eher allgemeines, teilweise auch unverständliches Stimmenkonglomerat, die im akustischen Zentrum des Films liegen, der vorwiegend von seinen visuellen Komponenten und vor allem einer ganz spezifischen Kultur des körperlichen Ausdrucks und seiner Interaktionen lebt.

Nach der holprigen Reise letztlich im Restaurant des Hôtel de la Plage angekommen, wo die übrigen Gäste bereits zu Tisch sitzen, lässt der ungelenk anmutende, groß gewachsene Monsieur Hulot die Einganstür offen, und mit dieser simplen Unachtsamkeit steht er gleich im stürmischen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Denn durch den enormen Wind, der nun eine gute Weile durch den Raum rauscht, verändern sich schlagartig die Atmosphäre und die Bewegungen der Anwesenden, die nun mit einigem Luftwiderstand zu kämpfen haben – eine schlichte, doch effektvolle Einführung des Protagonisten in die Feriengesellschaft mit einem geradezu genialen Symbolcharakter, denn künftig wird dieser freundliche Einzelgänger noch so einige harmlose kleine Missgeschicke produzieren. Doch dieser höfliche Herr mit seiner dezenten Mimik ist keinesfalls ein spektakulärer Katastrophensucher, sondern eher ein absichtsloser Schelm.

Inmitten der durchwachsenen Urlaubssozietät mit der braven, aparten Martine (Nathalie Pascaud), nach der sich die jungen Burschen verrenken und die später mit Hulot das Tanzbein schwingt, dem das Szenario mit kummervoller Miene beoabachtenden Kellner (Raymond Carl), einem zackigen Kommandanten (André Dubois) mit Spielleidenschaft, einem herzigen alten Spazier-Ehepaar und zahlreichen weiteren, gar nicht einmal ungewöhnlichen Protagonisten bewegt sich im Slapstick-Modus der hohe Herr, gern mit Hut, in distanzierter Eigenbrödelei. Dennoch ist er mit seiner komischen Motorik kein Ausgestoßener, absolviert unbeirrt sein Ferienprogramm mit den gängigen Aktivitäten, knüpft flüchtige Kontakte und verblüfft durch seine schrullige Aufschlagtechnik sogar beim Tennisspiel. Auf diese Weise fungiert er als milder, schüchterner Zerrspiegel, nicht aber als Kritiker oder gar Revolutionär der französischen Feriengemeinde.

Mit diesem Monsieur Hulot hat Jacques Tati ein ebenso eigenwilliges wie heiteres künstlerisches Alter Ego erschaffen, das als Plädoyer für altmodische Gemütlichkeit und damals moderne Technikverdrossenheit noch in weiteren seiner Filme für freudige Furore sorgte. Die Ferien des Monsieur Hulot, seinerzeit unter anderem mit dem Prix Louis Delluc für Jacques Tati und dem NBR Award des US-amerikanischen National Board of Review ausgezeichnet sowie für einen Oscar für das Beste Drehbuch und den Großen Preis des Filmfestivals von Cannes nominiert, stellt in seiner akribisch sorgfältigen Inszenierung ein ganz zauberhaftes filmisches Kleinod dar. Sowohl cineastische Traditionen à la Charlie Chaplin aufgreifend und modifizierend als auch folgende Komikergenerationen inspirierend – Loriots Sketch Das Bild hängt schief zum Beispiel zitiert eine Situation Hulots –, markiert diese charmante, unaufgeregte Komödie ein unverzichtbares Werk der Filmgeschichte.
 

Die Ferien des Monsieur Hulot (1953)

Es ist sommerliche Ferienzeit, und die dafür typischen Mobilitäten in Richtung Strand und Meer ereignen sich in diesem Film am Bahnhof und auf der Landstraße, wie die Eingangssequenzen dynamisch dokumentieren. Hier bewegen sich Einzelne, Paare, Familien und andere Gruppen mit ihrem Gepäck gen Atlantikküste zum französischen Urlaubsort Saint-Marc-sur-Mer, um dort im Hôtel de la Plage oder auch anderswo im Ort unbeschwerte, sonnige Tage im Rhythmus der freien Zeiten zu verbringen.

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