The Keeping Room - Bis zur letzten Kugel

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Frauen unter Beschuss

„Ein atemloser Western.“ So steht es auf dem Cover der Heimkinoveröffentlichung The Keeping Room geschrieben. Ein Zitat, das definitiv falsche Erwartungen schürt, denn Regisseur Daniel Barber, der mit dem Selbstjustizreißer Harry Brown im Kino debütierte, liefert hier sicherlich keine rasante Wild-West-Show ab. Vielmehr erweist sich sein zweiter Spielfilm als bedächtig erzähltes Bürgerkriegsdrama, das den harten Überlebenskampf eines Frauentrios bebildert. Auch wenn dabei nicht alle Rädchen ineinander greifen und die Spannung manchmal ein wenig abfällt, bietet die Independent-Produktion eine willkommene Abwechslung zu den üblicherweise männlich dominierten Genre-Geschichten.
Der amerikanische Süden im Jahr 1865: Während der Bürgerkrieg in den letzten Zügen liegt, versuchen Augusta (Brit Marling) und ihre jüngere Schwester Louise (Hailee Steinfeld) gemeinsam mit der Sklavin Mad (Muna Otaru), so gut es eben geht, über die Runden zu kommen. Als Louise eines Tages von einem Waschbären gebissen wird und dringend Medizin benötigt, macht sich Augusta auf den Weg zu einem Saloon in der Umgebung, wo sie den beiden Nordstaatensoldaten Moses (Sam Worthington) und Henry (Kyle Soller) begegnet. Zwei Männer, die sich von ihrer Truppe entfernt haben und nun plündernd und mordend durch die Gegend laufen. Die junge Frau kann sich den Deserteuren fürs Erste entziehen, doch kurz darauf tauchen sie mitten in der Nacht vor ihrem abgelegenen Gutshof auf und wollen sich um jeden Preis Zugang zum Haus verschaffen.

Vorangestellt ist dem Film ein Zitat von General William Tecumseh Sherman, das auf die Brutalität des Krieges hinweist. Anders als man zunächst vermuten könnte, nimmt The Keeping Room allerdings nicht das Schlachtfeld in den Blick, sondern die mittelbaren Grausamkeiten, die der Konflikt zwischen den Nord- und Südstaaten mit sich bringt. Moses und Henry – das zeigt die schweigsame Eröffnungssequenz sehr deutlich – haben jegliches Einfühlungsvermögen verloren und vergreifen sich selbst an wehrlosen Frauen. Mit dieser Bestandsaufnahme erzeugen Barber und Drehbuchautorin Julia Hart umgehend eine bedrückend-grimmige Atmosphäre, die sich verfestigt, sobald wir unsere Hauptfiguren kennenlernen.

Augusta, Louise und Mad führen auf ihrem entlegenen Hof ein entbehrungsreiches Leben, das der Bürgerkrieg auf drastische Weise prägt. Die Männer sind gänzlich abwesend, da sie an der Front gebraucht werden. Und die Frauen müssen plötzlich Aufgaben übernehmen, die ihnen eigentlich fremd sind. Wie schwer ein solches Dasein auszuhalten ist, zeigt sich, als Augusta auf der Suche nach Medizin bei einer Nachbarin vorbeischaut, die sich aus lauter Verzweiflung vergiftet hat. Niemand weiß in diesen blutigen Zeiten, ob Ehemänner, Väter und Brüder jemals aus dem Krieg zurückkehren werden. Und jeden Moment könnte die zügellose Gewalt in den Alltag der Daheimgebliebenen einbrechen. Nicht umsonst befindet sich Augustas Gewehr stets in Reichweite.

Spannend ist neben der beklemmend-ungewissen Situation der Protagonistinnen auch ihr Umgang miteinander. Während Louise an früheren Privilegien festhalten will und arrogant auf Mad herabsieht, ist sich ihre Schwester bewusst, dass einstige Klassenunterschiede und Rollenverteilungen kein Gewicht mehr haben. „Wir alle sind jetzt Neger“, versucht Augusta der Jüngeren klarzumachen und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Wer wirklich überleben will, muss mit anpacken und darf sich nicht an alte Ressentiments klammern.

Nachdem Barber das erste Zusammentreffen zwischen Augusta und den lüsternen Soldaten recht eindringlich inszeniert hat, zieht ungefähr zur Hälfte das wirkliche Bedrohungsszenario auf. Eine Belagerung des Hofes, die sich an die Muster des Home-Invasion-Thrillers anlehnt, allerdings nicht in billigen Aktionismus verfällt. Dass dabei nicht jede Drehbuchentscheidung rundum stimmig ist, lässt sich verschmerzen, da der Film seine Protagonistinnen aus der genreüblichen Opferrolle herauslöst. Augusta und Mad sind nicht bereit, sich dem männlich-barbarischen Treiben zu ergeben, und machen The Keeping Room mit ihrem entschiedenen Handeln viel eher zu einem feministischen Western als etwa Tommy Lee Jones‘ letzte Regiearbeit The Homesman, die ihre weibliche Perspektive ab der Mitte einfach aufgibt. Sonderlich originell ist die schnörkellose Geschichte, die Barber und Hart erzählen, sicher nicht. Als Variation traditioneller Muster bietet das Bürgerkriegsdrama dem Zuschauer aber recht gelungene Unterhaltung. Auch dank eines überzeugenden Ensembles, aus dem Brit Marling und Muna Otaru hervorstechen.

The Keeping Room - Bis zur letzten Kugel

„Ein atemloser Western.“ So steht es auf dem Cover der Heimkinoveröffentlichung „The Keeping Room“ geschrieben. Ein Zitat, das definitiv falsche Erwartungen schürt, denn Regisseur Daniel Barber, der mit dem Selbstjustizreißer „Harry Brown“ im Kino debütierte, liefert hier sicherlich keine rasante Wild-West-Show ab. Vielmehr erweist sich sein zweiter Spielfilm als bedächtig erzähltes Bürgerkriegsdrama, das den harten Überlebenskampf eines Frauentrios bebildert.
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Meinungen

Martin Zopick · 21.03.2024

Wir sind hier am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Zwei Schwestern, Augusta (Brit Marling) und Louise (Hailee Steinfeld) und die Sklavin Mad (Muna Otaru) leben in einer einsamen Gegend. Sie werden von marodierenden Südstaatlern bedroht.
Wie sie sich erfolgreich verteidigen, obwohl ihre Lage aussichtslos scheint, wird recht spannend erzählt.
Als Einstieg dient eine Szene, in der zwei Frauen, eine Weiße und eine Farbige von den Yankees erschossen werden. Man weiß sogleich, wen man vor sich hat in einer langen wortlosen Einleitung. Hier sprechen nur die Waffen.
Wenn’s ums Überleben geht, zeigt uns Regisseur Daniel Barber in seinem zweiten Feature Film, dass die Frauen mit ihrem Geschlecht bezahlen, die Männer mit ihrer Muskelkraft. Beides kommt hier zum Einsatz, dreimal unterliegt das angeblich starke Geschlecht. Die Frauen erleiden Niederlagen, bevor die drei unterschiedlichen Figuren triumphieren. Augusta, die ältere führt das Trio an, Louise ist eher ängstlich, vertritt anfangs noch den Rassismus der Südstaaten. Als sie die ehemalige Sklavin ohrfeigt, zahlt diese sofort zurück. Erstaunen! Augusta:‘ Wir alle sind jetzt Neger!‘
Es gibt auch ruhige, bisweilen sogar nachdenkliche Szenen, wenn Augusta dem angeschossenen Moses (Sam Worthington) gegenübersteht, bevor sie abdrückt. Er erklärt, warum er vom Krieg nicht lassen kann. (Vielleicht weil er nichts anderes gelernt hat.) In der Hektik der Duelle wird Mads Freund von einer der Mädels erschossen. Im Krieg trifft es oft die Falschen. Da hat Regisseur Barber noch ein fünftes As im Ärmel: Am Ende dieses feministischen Westerns schlüpfen die drei in männliche Uniformen und marschieren davon. Eine leicht ironische Lösung. Unerwartet auf alle Fälle. Nach so viel Grausamkeit ist Schmunzeln erlaubt.
Der Titel bezieht sich entgegen anders lautenden Spekulationen auf eine Geschichte, die Mad erzählt. Von einem Schuppen, den niemand betreten durfte. Also vermutete man, dass da eventuell ‘Gold oder Geister oder sogar Gott‘ drin sei. Gelungen!