Fassbinders BRD-Trilogie

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Drei Frauenporträts als Stationen gesellschaftlicher Entwicklung

Obwohl der bedauerlicherweise früh verstorbene deutsche Theateravantgardist, Filmschaffende und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) mit seiner einzig- und eigenartigen Kunst seinerzeit keineswegs repräsentativ für die vorherrschende Film- und Fernsehkultur hierzulande war, halten seine Werke doch dieser Nation in ihrer historischen Dimension häufig einen erschreckend deutlichen (Zerr-)Spiegel vor.
Nicht nur darauf begrenzt, aber doch in ausführlicher, komprimierter Form tritt diese kritische Komponente innerhalb seiner so bezeichneten BRD-Trilogie hervor, die mit den Filmen Die Ehe der Maria Braun (1978), Lola (1981) und Die Sehnsucht der Veronika Voss (1982) drei außerordentliche Frauencharaktere und -schicksale fokussiert. An den Drehbüchern dieser pessimistischen Porträts im Kontext der Nachkriegszeit war neben Rainer Werner Fassbinder das Autorenpaar Pea Fröhlich und Peter Märthesheimer beteiligt, das in seiner letzten Lebens- und Schaffensphase zum engeren Kreis des kontrovers-kreativen Regisseurs gehörte.

„Ich nehme Frauen ernster, als es Regisseure sonst tun“, wird der Filmemacher von der Rainer Werner Fassbinder Foundation zitiert, die 1986 von seiner Mutter Liselotte Eder gegründet wurde und seit 1992 von Juliane Lorenz geleitet wird, die privat wie beruflich bis zu seinem Tod eine immens bedeutsame Weggefährtin von Rainer Werner Fassbinder war. Schauspielerinnen wie Hanna Schygulla, Barbara Sukowa, Rosel Zech, Irm Hermann und Brigitte Mira avancieren in seinen Filmen zu markanten Frauenfiguren im Spannungsfeld von Sehnsucht, Repression und einer zaghaften bis forschen Emanzipation von den starren Strukturen einer Bundesrepublik, die kräftig mit den traumabehafteten Folgen des Zweiten Weltkriegs kämpfte und von drastischen sozialpolitischen Umbrüchen geprägt war. Die dichte Verwobenheit der einzelnen Geschichten der BRD-Trilogie gleicht einer akribischen Studie über sehr individuell gezeichnete Frauencharaktere als Stationen einer gesellschaftlichen Entwicklung, innerhalb welcher die Erfüllung der persönlichen Bedürfnisse der Protagonistinnen an der unauslotbaren, harten Realität scheitert.

Ist die Gesamtschau dieser drei Filme auch vor allem für ihre Bedeutung als zentral geplanter Zyklus erforderlich, beeindruckt dennoch jeder einzelne für sich betrachtet unvermindert stark. Dabei gestaltet sich vor allem die für Rainer Werner Fassbinder so signifikante, seltsame Symbiose zwischen seiner originären Formensprache und der von den Schauspielern meist recht eigentümlich dargestellten Fiktion der Geschichte derart befremdlich wie beeindruckend, dass sich das Erlebnis innovativer Filmkunst auch nach mehrfacher Sichtung noch zu erneuern vermag. Diese Fülle an vielschichtiger, substanzieller und schier unerschöpflich erscheinender Energie, die auch Fassbinders BRD-Trilogie entströmt und zu Analysen unter aktuellen filmhistorischen Aspekten einlädt, repräsentiert das konsequente Werk eines visionären Filmemachers. Eine großartige Gelegenheit, sich eingehend mit diesem zu beschäftigen, bietet die vom 6. Mai bis zum 23. August 2015 geöffnete Ausstellung „Fassbinder – Jetzt“ im Berliner Martin-Gropius-Bau, veranstaltet vom Deutschen Filmmuseum Frankfurt anlässlich seines 70. Geburtstags am 31. Mai.

Fassbinders BRD-Trilogie

Obwohl der bedauerlicherweise früh verstorbene deutsche Theateravantgardist, Filmschaffende und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) mit seiner einzig- und eigenartigen Kunst seinerzeit keineswegs repräsentativ für die vorherrschende Film- und Fernsehkultur hierzulande war, halten seine Werke doch dieser Nation in ihrer historischen Dimension häufig einen erschreckend deutlichen (Zerr-)Spiegel vor.
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