Open Road

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Unterwegs

Seit vielen Dekaden – spätestens seit den 1960er Jahren – ist das Unterwegs-Sein ein beliebter Topos des Kinos. Dabei sind es oft junge (Anti-)Held_innen, die auf Reisen gehen – also Menschen in ihren „Werdejahren“, die stets einem emotionalen Auf und Ab ausgesetzt sind. So ist auch Marcio Garcias Roadmovie-Drama Open Road (dessen Drehbuch von Julia Camara stammt) zugleich ein Coming-of-Age-Film.
Die künstlerisch begabte Angie (Camilla Belle) stammt aus Brasilien. Hals über Kopf hat sie ihre Heimat verlassen und hält sich nun in den USA auf. Die Jugendliche nächtigt in der Wildnis in einem Zelt, jobbt, malt und grübelt. Sie sucht – wie sie sagt – nach jemandem, den sie „kennen sollte“; bisher konnte sie diese Person allerdings noch nicht aufspüren. Für gewöhnlich lässt Angie niemanden an sich heran – einzig zu dem Obdachlosen Chuck (Andy Garcia) baut sie eine Freundschaft auf. Als sie wieder einmal aufbricht, um an einem neuen Ort weiterzusuchen, hat sie in der Nähe einer Kleinstadt eine Autopanne und lernt so den jungen Polizisten David (Colin Egglesfield) kennen. Dieser lädt sie für ein paar Tage in seinen Wohnwagen ein und vermittelt ihr einen Job als Kellnerin im Diner seiner Cousine Jill (Juliette Lewis). Zwischen Angie und David entstehen rasch Gefühle – doch die Ausreißerin scheut aufgrund vergangener Erlebnisse eine ernsthafte Beziehung.

Die junge Frau, die hier von Camilla Belle (10.000 BC) interpretiert wird, ist eine spannungsreich gezeichnete Hauptfigur – gerade weil sie in ihrer verschlossenen, komplizierten Art nicht durchweg sympathisch anmutet. Insbesondere der hilfsbereite David, dem Colin Egglesfield (Fremd Fischen) etwas sehr Charmantes verleiht, hat unter Angies Weigerung, sich auf eine enge Bindung zu einem anderen Menschen einzulassen, zu leiden. Die mit Schwierigkeiten behaftete Liebesanbahnung zwischen der Außenseiterin und dem Small-Town-Cop ist zwar gewiss keine spektakulär neue, aber ohne Zweifel eine anrührende Geschichte, die das Publikum bis zum Schluss mit dem Paar mitfühlen lässt. Geglückt sind überdies die gemeinsamen Momente zwischen Angie und dem von Andy Garcia (Die Unbestechlichen) gegebenen Chuck: Dem rauschebärtigen Vagabunden kommt eine Schlüsselrolle auf Angies Reise zu – was Garcia mit der nötigen Feinsinnigkeit zu spielen weiß.

Für eine gehörige Dosis Witz in dem eher melancholischen Film sorgt die wunderbare Juliette Lewis (Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa) in ihrem Nebenpart als Davids Cousine Jill. Lewis ist nur in einigen wenigen Szenen zu sehen und verkörpert eine Figur, die sich weder entwickelt, noch über eine nennenswerte Backstory verfügt – und dennoch gelingt es der US-Schauspielerin und -Musikerin, in kurzen Situationen ganz für sich einzunehmen und den Zuschauer_innen ein paar hübsche, darstellerische Kabinettstückchen in Sachen „Zickigkeit“ zu bieten: Schon allein für die urkomische Passage im Diner, in welcher Jill mit fahrigen Gesten und in dramatischem Tonfall über Angie lästert, lohnt sich eine Sichtung dieses Independent-Werks. Dank der schön erzählten Love Story, der soliden Inszenierung sowie der subtilen Performance von Andy Garcia gibt es jedoch durchaus mehr als diesen einen Grund, sich mit der eigenwilligen Protagonistin auf die Open Road zu begeben.

Open Road

Seit vielen Dekaden – spätestens seit den 1960er Jahren – ist das Unterwegs-Sein ein beliebter Topos des Kinos. Dabei sind es oft junge (Anti-)Held_innen, die auf Reisen gehen – also Menschen in ihren „Werdejahren“, die stets einem emotionalen Auf und Ab ausgesetzt sind. So ist auch Marcio Garcias Roadmovie-Drama „Open Road“ (dessen Drehbuch von Julia Camara stammt) zugleich ein Coming-of-Age-Film.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen