Nächte des Grauens - Hammer Edition

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Im Bann der Zombies

Zwei Jahre bevor George A. Romero den Zombie als Fleischfresser neu definierte, modellierte Hammer mit Nächte des Grauens so etwas wie die Blaupause, auf der alle anderen aufbauten. Inhaltlich hält man sich an die Voodoo-Wurzeln, die Darstellung der Zombies als bleiche Wiedergänger ist jedoch wegweisend – inklusive einer Albtraumsequenz, die mit ihrer bedrohlichen Atmosphäre auch in zeitgenössischen Zombie-Filmen gut aufgehoben wäre.
In einer kleinen Gemeinde in Cornwall sterben die Leute an unerklärlichen Gründen. Der Arzt Peter Thompson ruft seinen ehemaligen Lehrer, Sir James Forbes, zu Hilfe. Unverzüglich reist Forbes mit seiner Tochter Sylvia an, um der Sache auf den Grund zu gehen. Alles deutet auf den hochmütigen Gutsherrn Hamilton hin, der einst auf den karibischen Inseln lebte und ein Geheimnis mit sich gebracht hat, das er nun einsetzt.

Nächte des Grauens gilt zu Recht als einer der besten Filme aus dem Hause Hammer. Einerseits, weil er exzellent gestaltet ist, andererseits aber auch, weil er eine Geschichte erzählt, die innerhalb des Hammer-Oeuvres einzigartig ist. Die Zombie-Geschichte wurde nicht als so wegweisend wahrgenommen, wie sie eigentlich sein sollte. Auch Hammer hat sich dieser Schauerfigur nicht wieder angenommen. Vielleicht auch deswegen ist diese Produktion so gut gealtert. Fast 50 Jahre nach ihrer Entstehung ist Nächte des Grauens noch so wirkungsvoll wie eh und je.

Von John Gilling back-to-back mit Das schwarze Reptil inszeniert, wurde der Streifen von Hammer als B-Film zu einer größeren Produktion – einem Dracula-Film mit Christopher Lee – angesehen. Aber tatsächlich ist dies die weit bessere und interessantere Produktion, weil sie außerhalb der typischen Hammer-Konvention funktioniert. Sicherlich ist es gotischer Horror vor viktorianischer Kulisse, aber die Geschichte geht gänzlich andere Wege, bis hin zu dem Umstand, dass um die Identität der Schurkenfigur keinerlei Hehl gemacht wird. Das Mysterium ist stattdessen, was es mit all den Toten in der Gemeinde auf sich hat.

Die Enthüllung dessen ist besonders interessant. Sie unterfüttert das Werk mit einer sozialgesellschaftlichen Komponente, die später auch in George A. Romeros Filmen zu finden war. Die stumme Masse, die Wiedergänger, sind nichts anderes als Sklaven, die von der herrschenden Kaste ausgebeutet werden. Der Zombie als Sinnbild für gesellschaftliche Entwicklungen und Missstände – das ist nichts, was Romero erfunden hätte. Es ist hier schon vorhanden, mit hoher Metaphorik, die sich vor allem am Ende einstellt, wenn man das alles verschlingende Feuer auch als das Lodern des gerechten Zorns der Ausgebeuteten betrachten könnte.

All das kann man in Nächte des Grauens finden, aber selbst, wenn man nur die Oberfläche betrachtet, ergibt sich ein phantastischer Film, der stimmungsvoll und äußerst atmosphärisch ein Gefühl des Unbehagens und des Ungeheuerlichen erschafft, getragen von einem grandiosen André Morell, der den großen Hammer-Stars Peter Cushing und Christopher Lee in nichts nachsteht, ihnen in mancherlei Hinsicht sogar überlegen ist.

Das Bonusmaterial ist reichhaltig und hochwertig. Im 35-minütigen Making-of kommen einige der Schauspieler zu Wort, so auch John Carson, der die Schurkenrolle spielt und sich kurz darüber auslässt, wie perplex er war, dass er vor allem wegen dieses Films bekannt ist. Filmhistoriker Marcus Hearn bietet historische Hintergründe, während Autor Jonathan Rigby die interessante These zum Besten gibt, dass Nächte des Grauens die originalgetreueste Dracula-Adaption ist, die Hammer je versucht hat. Was auf den ersten Blick unglaubwürdig erscheint, ergibt durch Rigbys Argumentation durchaus Sinn.

Eine 19-minütige Featurette befasst sich mit Hauptdarsteller André Morell, der bei Hammer häufig in Nebenrollen eingesetzt wurde – so als Dr. Watson in Der Hund von Baskerville –, aber auch problemlos selbst einen Film tragen konnte. Filmhistoriker setzen sein Werk in Kontext, während sein Sohn persönliche Geschichten zum Besten gibt. Schon älter, aus dem Jahr 1994, ist ein 20-minütiges Interview mit Komponist James Bernard, der die Scores für zahlreiche Hammer-Filme erschaffen hat. Des Weiteren gibt es die internationale Titelsequenz, die Super-8-Fassung, die Comic-Adaption, den deutschen Werberatschlag, das Presseheft, das Filmprogramm, eine Bildergalerie und den Trailer.

Nächte des Grauens - Hammer Edition

Zwei Jahre bevor George A. Romero den Zombie als Fleischfresser neu definierte, modellierte Hammer mit „Nächte des Grauens“ so etwas wie die Blaupause, auf der alle anderen aufbauten. Inhaltlich hält man sich an die Voodoo-Wurzeln, die Darstellung der Zombies als bleiche Wiedergänger ist jedoch wegweisend – inklusive einer Albtraumsequenz, die mit ihrer bedrohlichen Atmosphäre auch in zeitgenössischen Zombie-Filmen gut aufgehoben wäre.
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