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Das Bedingungslose Grundeinkommen — kurz BGE — scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Schaut man sich an, wie sich der Diskurs darüber in den vergangenen Jahren verändert hat, ist dessen Einführung nur noch eine Frage der Zeit.  Und Christian Tods Film darüber ein cineastischer Vorbote. 

Free Lunch Society - Komm komm Grundeinkommen (2017)

Eine machtvolle Idee, deren Zeit gekommen ist

Nichts ist machtvoller als eine Idee, deren Zeit gekommen ist, wusste schon Wladimir Iljitsch Uljanow, den die Welt vor allem unter dem Namen Lenin kennt. Und ganz ähnlich ergeht es einem, wenn man derzeit mit Menschen über das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Was vor einigen Jahren noch als Spinnerei und Fantasterei abgetan und belächelt wurde, findet quer durch verschiedene Schichten der Bevölkerung hindurch eine immer breitere Akzeptanz. Mittlerweile, so hat eine Umfrage herausgefunden, sind 75 Prozent der Deutschen für solch eine finanzielle Grundsicherung.

Und das liegt sicher auch an prominenten Fürsprechern wie dem Gründer der Drogeriemarktkette DM, Götz Werner, der seit vielen Jahren für das BGE streitet. Überhaupt fällt auf, dass die Fürsprecher längst nicht mehr nur aus den Reihen der Progressiven stammen, sondern auch immer mehr eher konservative und sogar neoliberale Politiker und Konzernbosse die Seiten wechseln. Mit Free Lunch Society — Komm komm Grundeinkommen hat sich der Filmemacher Christian Tod auf die Spuren der Historie dieser bezwingenden Idee gemacht, mit Menschen gesprochen, die für das BGE streiten, und eine ganze Menge neuer Facetten eines nur scheinbar ausreichend diskutierten Konzepts gesammelt.

Neben Götz Werner, der einen breiten Raum einnimmt, sind es vor allem Gespräche mit dem Schweizer Unternehmer Daniel Häni, einem der Initiatoren des (gescheiterten) Volksentscheids in der Schweiz, dem Berliner Michael Bohmeyer, der die Bewegung Mein Grundeinkommen ins Leben gerufen hat, dem amerikanischen Politikwissenschaftler Charles Murray sowie dem kalifornischen Solarenergie-Unternehmer Peter Barnes, die selbst eingefleischte Skeptiker überzeugen können. Weil sich der Film seinem Thema von verschiedenen ideologischen Blickwinkeln her nähert, dabei aber ganz klar Stellung bezieht und niemals einen Hehl daraus macht, dass auch das Herz von Christian Tod für das BGE brennt, ist Free Lunch Society — Komm komm Grundeinkommen keine kritische Auseinandersetzung mit einer bestechenden Idee geworden. Selbst die landläufigen Gegenargumente, die man allenthalben hört, stammen nicht aus dem Munde erbitterter Gegner, sondern werden von den Verfechtern selbst ins Feld geführt, um im nächsten Atemzug auseinandergenommen zu werden. 

Trotz zahlreicher talking heads ist Free Lunch Society aber nicht nur ein engagierter Film geworden, dem man die gute Absicht deutlich anmerkt und der überaus kundig von einigen historischen Feldversuchen berichtet, die bislang im Diskurs nur selten Erwähnung finden. Darüber hinaus bemüht sich der Film, seine Thesen ebenso interessant wie anschaulich und unterhaltsam zu verpacken – das beginnt bereits mit der Annäherung an das Thema, die der Film aus der Perspektive einer fernen Zukunft des 24. Jahrhunderts heraus entwickelt und mit einem Zitat aus der TV-Serie Star Trek — Das nächste Jahrhundert eröffnet. In dieser Zukunft ist finanzielle Grundsicherung des Menschen längst Realität und ein Blick zurück auf die Abhängigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse des industriellen Zeitalters erscheint da so bizarr wie uns der Blick auf mittelalterliche Gebräuche und Lebensformen. In einer Folge dieser Serie, die offensichtlich auf Christian Tod einen großen Einfluss ausübte, wird ein kryogenisch konservierter Banker aus dem späten 20. Jahrhundert an Bord der Enterprise aufgetaut und muss zu seinem Entsetzen erfahren, dass es im 24. Jahrhundert kein Geld mehr gibt. Verzweifelt wendet er sich an Captain Jen-Luc Picard und fragt diesen: „Was werde ich tun? Wie werde ich leben?“ Darauf entgegnet ihm Picard: „Wir sind im 24. Jahrhundert. Materielle Nöte existieren nicht.“ Die Reaktion des konsternierten Bankers: „Was hat man da noch für ein Ziel?“ Picards Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Das werde ich Ihnen sagen, Mr. Offenhouse. Sie können sich weiterentwickeln, Ihr Wissen vergrößern. Genießen Sie es!“

Auch sonst bemüht sich Christian Tod mit einigem Erfolg nicht nur um argumentative Stringenz, sondern auch um leichtere Momente – wie etwa durch Montagesequenzen, in denen der Zuschauer mittels antiquierter Archivsequenzen in die Hochzeit der industriellen Tugenden geführt wird. Gerade angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung muss man bei vielen Ausschnitten heftig schmunzeln. 
Dennoch gleitet Free Lunch Society nicht ab und wird beliebig, sondern zielt fast beiläufig auf einen emotionalen Kern, der sich auch in der sparsam und prägnant eingesetzten Musik niederschlägt, die zu Beginn, am Ende und bei den als Zwischentiteln gesetzten Kapitelüberschriften von dem Song This Land Is Your Land des Folkpoeten Woody Guthrie bzw. leichten Variationen des musikalischen Themas begleitet wird. Es ist ein Leitmotiv, das hier ganz im Sinne seines Schöpfers ein Aufruf zur Selbstermächtigung und -verwirklichung all jener Menschen ist, für die das BGE eine Befreiung aus ausbeuterischen und bedrückenden Arbeitsverhältnissen sein könnte. Ein Aufbruch in die Freiheit des tätigen, schöpferischen, sozialen und altruistischen Menschen – und er erscheint in diesem Moment allen Widrigkeiten und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zum Trotz zum Greifen nah. Es mag manchem vielleicht naiv erscheinen, was dem BGE insgesamt für positive Effekte auf die Entwicklung der Menschheit zugeschrieben werden. In einer Zeit aber, an der wir auf vielen Ebenen das Scheitern des existierenden Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells sehen, sollte uns eine zutiefst humanistische Vision wie die des BGE mindestens einen ernsthaften Versuch wert sein. 

Free Lunch Society - Komm komm Grundeinkommen (2017)

Christian Tods Dokumentarfilm folgt der Vision vom Bedingungslosen Grundeinkommen. Angesiedelt zwischen Bewegungsfilm und Science-Fiction-Utopie entwirft „Free Lunch Society“ das höchst verlockende Szenario eines (durchaus finanzier- und umsetzbaren) gesellschaftlichen Paradigmenwechsels, der die Welt grundlegend verändern könnte.

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Meinungen

Sigrid Fath · 29.01.2018

Super!!!! Endlich!!!!! Will unbedingt hin. Bitte nehmt Kontakt mit mir auf, ich finde auf der Seite keine Reservierungsmöglichkeit und der Telefonanschluss klappt auch nicht. Ruft an, ich will reservieren, bitte: 06203-931650
Danke
Sigrid Fath