Epilog - Das Geheimnis der Orplid

Eine Filmkritik von Rajko Burchardt

Nur ja keine Politik

Zum Nachspiel ist es ein langer Weg. Ehe Journalist Peter Zabel (Horst Caspar) das Geheimnis der verschollenen Luxusyacht Orplid aufdecken wird, offenbart er die Vorgeschichte seiner Recherchen. Eine knappe Viertelstunde dauert der Pro- zum Epilog, und er nimmt die Figuren des Films buchstäblich unter die Lupe: Kopf für Kopf fährt Zabel mit dem Vergrößerungsglas über ein Foto, das die verschüttgegangene Hochzeitsgesellschaft der Orplid bei Anbruch ihrer Reise zeigt. Schon das ist ein beachtliches Geschick des Regisseurs Helmut Käutner, weil dieser Beginn eine Anordnung der Figuren präsentiert, lange bevor sie innerhalb kammerspielartiger Rückblenden zu Protagonisten auf hoher See werden. Noch virtuoser aber gestaltet er die Subjektive seines Erzählers Zabel, der – außerhalb des Kamerasichtfeldes positioniert – Menschen über das rätselhafte Verschwinden der Yacht befragt, um den Tatsachenbericht mit Zeugenaussagen zu dramatisieren.
Man muss das heute unweigerlich als eine Art Vorwegnahme von Mockumentary- und Found-Footage-Elementen lesen, was Käutner da mit dem fiktiven Rapport seiner Figur anstellt: Adressat des reißerischen Enthüllungsgehabes ist ein Publikum, das durch alle möglichen Gestaltungsmittel von der Authentizität der Orplid-Geschichte überzeugt werden soll. Zwar bleibt der im Off-Kommentar hemmungslos sabbelnde Peter Zabel während des Films weitgehend unsichtbar, der pessimistischen Wahrheit aber ist er ein zuversichtliches Sprachrohr. Wie Helmut Käutner den recht kostspieligen Epilog – Das Geheimnis der Orplid dabei auch noch als eine seltsame Utopie von teutonischem Film noir begreift, der sich düsteren Irrsinn einfach so zurechtfabulieren darf, erinnert an ein leider uneingelöstes Versprechen auf bundesdeutsches Genrekino, das eben genau Filme wie dieser einst gaben.

Natürlich ist Epilog kein Ghost Ship (1943), von der Orplid geht kein phantastisches Mysterium aus. Nichts ist bekannt über die Umstände ihres Untergangs, bestenfalls ahnt Zabel etwas von Verstrickungen auf höchster Ebene. „Lassen Sie lieber die Hände von der Politik“, rät eine Hamburger Kneipenwirtin dem pflichteifrig nachforschenden Reporter vergeblich. Mithilfe der stummen Malerin Leata (Bettina Moissi), die das Unglück als einzige Passagierin überlebte, gelingt Zabel eine detailgenaue Rekonstruktion der Ereignisse: Aldo Siano (Carl Raddatz), Mitglied einer nicht näher genannten „extremen Partei“, habe an Bord versucht, auf den internationalen Waffenhändler Mr. Hill (Arno Paulsen) ein Attentat zu verüben, das FBI-Geheimagent Bennister (Peter van Eyck) nur knapp habe verhindern können. Zabel bietet die Geschichte einem skeptischen Zeitungsverleger an, erst jetzt schmücken er und der Film sie mit Bildern.

Die darauf folgenden Rückblenden bleiben jedoch trügerisch. Zabels Einschätzungen beruhen hauptsächlich auf Zeichnungen der schweigsamen Femme Fatale, aber weder war der Journalist überhaupt vor Ort noch hat Leata alle Zwischenfälle beobachten können. Beinahe süffisant versetzt Käutner das gesamte Geschehen daher in eine Schieflage, deren unheilvolle Kameraschrägen der Wahrheitsfindung visuell zu widersprechen scheinen. Es ist eine unzuverlässige Erzählung, vorgetragen im Brustton der Überzeugung, aber so sensationalistisch wie letztlich unkonkret. Genau darin besteht der eigentliche Witz des Films: Zabel beteuert, er habe die „politischen Fakten nur jetzt beim Erzählen übergangen“, in seinem Manuskript hingegen sei „alles genau ausgeführt“. Doch es ist hier gerade eine von Spionen und Saboteuren umgesetzte Politik, die den Vorfall erst zum Verbrechen – und das Unglück an Bord zu einem relevanten Ereignis macht.

Die Leser seiner Illustrierten aber, meint der leichtblütige Cheflektor Kurt Beckmann (Hans Leibelt), würden davon nichts wissen wollen. „Mildern Sie ein paar Krassheiten, bauen Sie die Liebesgeschichte aus, finden Sie irgendein anderes Motiv für das Attentat“, empfiehlt er Zabel, der besser einen über die Hintergründe allenfalls vagen Roman aus der Sache machen soll. Irgendein anderes Motiv, irgendeine Liebesgeschichte, nur ja keine Politik also – dieser Verdrängungsmechanismus hat Methode in Käutners Film. Als es zu Beginn heißt, die Titel gebende Luxusyacht sei für einen NSDAP-Funktionär gebaut und nach Kriegsende dubios weiterverwendet worden, glaubt man tatsächlich noch, das Geheimnis der Orplid könne auch im Sinne der Entnazifizierung gelüftet werden. Das bitterböse Ende allerdings zerschlägt diese Hoffnung ganz im Sinne des Film noir. Und macht deutlich: Epilog hat eine Wiederentdeckung auf DVD nicht nur film-, sondern auch zeithistorisch unbedingt verdient.

Epilog - Das Geheimnis der Orplid

Zum Nachspiel ist es ein langer Weg. Ehe Journalist Peter Zabel (Horst Caspar) das Geheimnis der verschollenen Luxusyacht Orplid aufdecken wird, offenbart er die Vorgeschichte seiner Recherchen. Eine knappe Viertelstunde dauert der Pro- zum Epilog, und er nimmt die Figuren des Films buchstäblich unter die Lupe: Kopf für Kopf fährt Zabel mit dem Vergrößerungsglas über ein Foto, das die verschüttgegangene Hochzeitsgesellschaft der Orplid bei Anbruch ihrer Reise zeigt.
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