The Killing

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wer ermordete Rosie Larson?

Skandinavische Krimiserien sind nicht nur in Deutschland sehr erfolgreich. So erreichte die hierzulande als Kommissarin Lund (später Das Verbrechen) bekannte Serie bei der Ausstrahlung auf BBC4 im Januar 2011 im Schnitt mehr als eine halbe Million Zuschauer – und damit mehr als Mad Men –, obwohl sie im dänischen Original mit englischen Untertiteln ausgestrahlt wurde. Es entstand ein regelrechter Hype um die Serie und ihre Hauptfigur, die stoische, stets Wollpullover tragende Sarah Lund. Ihr Aran-Pullover hat sogar eine eigene Fanpage. Ein amerikanisches Remake war zu diesem Zeitpunkt bereits geplant und startete im April 2011 unter dem Titel The Killing auf dem Sender AMC. Mittlerweile ist die Serie bei Netflix gelandet und sind die ersten beiden Staffeln hierzulande auf DVD erhältlich.
Auf den ersten Blick bleibt The Killing sehr nah am dänischen Original: Die Schülerin Rosie Larsen wird vermisst. Detective Sarah Linden (Mireille Enos) hat eigentlich ihren letzten Arbeitstag, bevor sie mit ihrem Verlobten aus dem verregneten Seattle nach Kalifornien ziehen will. Dennoch wird sie verständigt, als im Wald ein Kleidungsstück gefunden wird. Gemeinsam mit ihrem Nachfolger Stephen Holder (Joel Kinneman) untersucht sie den Fundort und ahnt schnell, dass sie es mit einem Verbrechen zu tun bekommt. Dann wird Rosies Leiche im Kofferraum eines im See versenkten Wagens gefunden, der zum Wahlkampftross des Bürgermeisterkandidaten Darren Richmond (Billy Campbell) gehört – und Sarahs Chef bittet sie, für die Aufklärung des Falls noch in Seattle zu bleiben.

In jeder Folge von The Killing wird fortan von den Folgen des Mordfalls aus drei Perspektiven erzählt: die polizeiliche Ermittlung von Sarah Linden und Stephen Holder, der persönliche Umgang mit der Trauer von Rosies Eltern Mitch (Michelle Forbes) und Stan (Brent Sexton) und die politischen Auswirkungen durch die Verwicklung in Darren Richmonds Kampagne. Diese Perspektiven überschneiden sich und ergänzen einander, der Fall zieht indes immer weitere Kreise. Dabei sind die einzelnen Folgen stets gleich aufgebaut: Es folgt in der Regel eine zumindest temporäre Entlastung eines Verdächtigen und am Ende steht ein Cliffhanger, der nochmals die drei gegenwärtigen Handlungsstränge aufgreift – und stets mit ähnlicher Musik unterlegt ist. Dabei fehlt The Killing mitunter die Zwangsläufigkeit der Entwicklung, vielmehr ist die Polizeiarbeit bei zwei Verdächtigen – Rosies Lehrer und Darren Richmond – fahrlässig fehlerhaft.

Allein der Ansatz, einen Fall über einen langen Zeitraum zu untersuchen und dabei auf den typischen „Fall der Woche“ zu verzichten, ist bemerkenswert. Allerdings hatte Serienmacherin Veena Sud von vorneherein geplant, dass der Fall nicht innerhalb der 13 Folgen umfassenden ersten Staffel aufgeklärt wird, sondern in der zweiten Staffel fortgesetzt wird. Damit enttäuschte sie die Erwartungen, so dass in den USA das Ende der ersten Staffel für große Entrüstung bei Kritikern und Zuschauern sorgte. Innerhalb der Serie führt diese Entscheidung indes zu einem zu großen Widerspruch: Schaut Holder am Ende einer Folge noch überrascht, als er erfährt, wer der geheimnisvolle Orpheus ist, scheint er in der nächsten Episode an einer großen Verschwörung beteiligt zu sein. Dieses Manöver ist fast schon beleidigend durchsichtig, zumal der Strippenzieher aufgrund der plumpen Präsentation von vorneherein zu entlarven ist. Als Reaktion auf die Entrüstung beschwichtigten Sender und Veena Sud, dass die zweite Staffel den Täter entlarvt – und verrieten somit auch, dass alle vorhergehenden zwölf Folgen lediglich weitere falsche Fährten sind. Damit verpasst sie zudem die Gelegenheit, den Fall stärker zu komprimieren. Bereits in der dänischen Serie gab es Folgen – beispielsweise die Suche nach Lunds verschwundenem Sohn –, die mit dem Fall nicht in Verbindung standen, sondern lediglich den Fortgang der Handlung verzögern und die Hauptfigur charakterisieren sollten. Diese Ablenkungen sind in The Killing noch dramatischer, so dass die Serie – obwohl die Lauflänge in etwa gleich ist – langatmiger wird.

Die größte Stärke von The Killing sind indes die Schauspieler. Mireille Enos ist eine perfekte Besetzung für Sarah Linden, sie ist unaufgeregt, kann mit ihrer Mimik viel sagen und überzeugt als Ermittlerin, die sich in ihrer Arbeit verliert. Joel Kinneman ist ein charmanter Stephen Holder, der undercover gearbeitet hat, süchtig war und nun zur Mordkommission versetzt wurde. Im Gegensatz zu Linden redet er gerne und lässt alle an seinen Weisheiten teilhaben. Jedoch ist das rotzig-schlampige Verhalten ein falscher Eindruck, er ist ebenso ein verbissener Ermittler mit Sinn für Details. Sie sind ein gutes Team, ergänzen sich und repräsentieren die aufrechte Suche nach der Wahrheit.

Darüber hinaus erweist sich Seattle als perfekte Kulisse. Alles in dieser Serie fühlt sich kühl und feucht an, ständig regnet es, aber Sarah Linden schaut weiterhin versonnen auf die graue Skyline. Sie passt gut zu dem düsteren Fall, der lediglich im Vergleich zu dem dänischen Original etwas weniger dramatisch wirkt. Denn eines hat The Killing noch zu bieten: einen anderen Täter als Komissarin Lund.

The Killing

Skandinavische Krimiserien sind nicht nur in Deutschland sehr erfolgreich. So erreichte die hierzulande als „Kommissarin Lund“ (später „Das Verbrechen“) bekannte Serie bei der Ausstrahlung auf BBC4 im Januar 2011 im Schnitt mehr als eine halbe Million Zuschauer – und damit mehr als „Mad Men“ –, obwohl sie im dänischen Original mit englischen Untertiteln ausgestrahlt wurde. Es entstand ein regelrechter Hype um die Serie und ihre Hauptfigur, die stoische, stets Wollpullover tragende Sarah Lund.
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