I Am Ali – Der Mann hinter der Boxlegende

Eine Filmkritik von Falk Straub

Mein Vater, der Entertainer

Als Sportler und politischer Aktivist ist er längst Legende. In I Am Ali soll es jedoch um den „Mann hinter der Boxlegende“ gehen. Am Ende des stilistisch gelungenen Dokumentarfilms bleibt davon jedoch deutlich weniger, als der Trailer hoffen lässt.
Ein privates Domizil, die Einrichtung aus den 1960ern, im Hintergrund läuft irgendwo ein Fernsehapparat. Ein Mann beantwortet mit verstellter Stimme Fragen. Immer wieder Gelächter. Währenddessen schwebt Stuart Lucks Kamera von einem Raum mit Schwimmbecken durch eine Diele ins angrenzende Wohnzimmer. Als sie auf den Fernseher schwenkt, gewahrt der Zuschauer den Mann hinter der verstellten Stimme: Muhammad Ali sitzt in der US-amerikanischen Ausgabe von „Was bin ich?“. Trotz größter Mühen Alis erkennt das Rateteam den größten Boxer aller Zeiten mühelos. Die Kamera wendet ihren Blick ab und fährt langsam auf ein Telefon zu. Auf der Tonspur setzt ein Tuten ein. Das Bild wird schwarz. Ein Telefongespräch zwischen Ali und seiner elfjährigen Tochter Maryum beginnt. Zu sehen sind lediglich Schallwellen.

Bereits die Exposition macht klar, worum es in I Am Ali gehen soll. Für den Sportler, Provokateur oder Aktivisten interessiert sich Regisseurin Clare Lewins nur am Rande. Der Familienmensch Muhammad Ali steht im Vordergrund. So sanft wie Stuart Lucks Kamera die privaten Gemächer durchstreift, so behutsam versucht der Dokumentarfilm ins Privatleben Alis vorzudringen. Als Grundlage dienen bisher unveröffentlichte Tonbänder, die der Boxer während Gesprächen und Telefonaten aufgenommen hat. Der Zuschauer wird im Verlauf des Films immer wieder zum Zuhörer. Dass dieser physisch unglaublich präsente Mann im Öffentlichen wie im Privaten seine Mitmenschen nicht nur mit seiner Gestik und Mimik, sondern auch mit seiner Stimme unterhielt und faszinierte, auch dies nimmt die Eingangssequenz bereits vorweg.

I Am Ali erzählt seine Geschichte assoziativ. Recht frei hangelt sich der Dokumentarfilm an den Tonbandaufnahmen entlang, springt vor und zurück, hält sich nur lose an die Chronologie der Ereignisse. Neben den bisher unveröffentlichten Gesprächsmitschnitten dienen der Regisseurin Menschen aus Alis persönlichem Umfeld als Grundgerüst. Vom Manager bis zum Fan, von ehemaligen Herausforderern bis zum Trainer, vom Bruder über drei seiner Kinder bis zu einer seiner Exfrauen kommen insgesamt 15 Weggefährten zu Wort.

Ein wenig ist dieser Aufbau aber auch die Crux des Films. Um nicht zu langweilen, ist Lewins gezwungen, Alis Gespräche nicht nur in Form von Schallwellen in Szene zu setzen. Unter bisher Unbekanntes auf der Tonspur mischen sich daher altbekannte Archivaufnahmen. Mit Hilfe der Interviews versucht I Am Ali zwar, die Redundanz der immer gleichen Bilder der Sportikone aufzubrechen. So machen die Interviewpartner beispielsweise ihre Aussagen über den Menschen Ali meist an einer bedeutsamen Episode aus dessen Karriere fest. Damit ist aber häufig weniger über den Mann hinter der Legende als vielmehr – wie in zahlreichen Dokumentarfilmen zuvor – über die Legende selbst gesagt.

Letztlich versucht auch I Am Ali in erster Linie, ein Stück von Muhammad Alis Aura und Charisma einzufangen, vor denen die ehemaligen Weggefährten in Retrospektive selbst heute noch ehrfürchtig erstarren. Was Alis öffentliche Person anbelangt, ist dies ein Stück weit gelungen. Hier liefert der Dokumentarfilm ein weiteres fehlendes Puzzleteilchen im Gesamtbild dieses faszinierenden Charakters, den die meisten Zeitzeugen auch im Privaten schlicht als echt und unverstellt beschreiben.

Was jedoch den Familienmenschen betrifft, kratzt I Am Ali nur an der Oberfläche. Denn dass Muhammad Ali mit neun Kindern, vier Ehefrauen und einer nicht genannten Anzahl an Affären trotz aller Liebe und Mühen nicht jedem Familienmitglied die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen konnte, wird in Clare Lewins Film zwar mehrfach angedeutet, aber nie deutlich ausgesprochen. Genügend Stoff für weitere Dokumentarfilme also.

I Am Ali – Der Mann hinter der Boxlegende

Als Sportler und politischer Aktivist ist er längst Legende. In „I Am Ali“ soll es jedoch um den „Mann hinter der Boxlegende“ gehen. Am Ende des stilistisch gelungenen Dokumentarfilms bleibt davon jedoch deutlich weniger, als der Trailer hoffen lässt.
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