Spetters (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Martin Beck

Schlammspritzer

Auf Paul Verhoeven war schon immer Verlass. Wenn jemand einen authentischen Film über die holländische Jugend Anfang der achtziger Jahre hinbekommt, dann er. Saufen, Sex, Prügeln und Motocross – in Spetters geht es um elementare Dinge, die dann auch irgendwie als „coming of age“ durchgehen, aber halt nie so versöhnlich wie in vergleichbaren amerikanischen Werken. Als der Film erschien, löste er ob seiner expliziten Natur einen handfesten Skandal aus, der sogar ein eigenes Aktionsbündnis namens NASA (=niederländische-Anti-Spetters-Aktion) hervorrief und letztendlich ein triftiger Grund für Verhoevens Emigration nach Amerika war.
Natürlich hat Spetters heutzutage nicht mehr das Provokationspotential wie zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, doch richtig zahm erscheint er immer noch nicht. Vieles, was der Film anspricht, wie zum Beispiel die kalkulierte Instrumentalisierung von Sexualität, ist inzwischen einfach „Alltag“ geworden, so dass die Aufschreie nun kritischer Betrachtung weichen. Grundsätzlich Bestand haben die Themen des Films jedoch nach wie vor, und die Art und Weise, wie Verhoeven das pralle Leben bei den erhärteten Brustwarzen packt, ist ebenfalls nach wie vor mitreissend und lebendig. Kaum ein anderer Regisseur kann Bluthochdruck so direkt auf Film packen wie er.

Die holländische Jugend in Spetters wird vor allem repräsentiert durch drei Jungs (gespielt von Hans van Tongeren, Toon Agterberg und Maarten Spanjer), die allesamt der Arbeiterklasse entstammen und große Begeisterung für Motocross aufbringen. Und dann auch für Fientje (Renée Soutendijk), eine puppenhafte Frittenbuden-Besitzerin, die ihnen nacheinander den Kopf verdreht und dabei die hauptsächliche Anlaufstelle für die angesprochene kalkulierte Instrumentalisierung von Sexualität darstellt. Ein „coming of age“-Film, hauptsächlich ohne Romantik, aber dafür mit erigierten Schwänzen und einer schwulen Massenvergewaltigung. Die, ein absolut klassischer Verhoeven-Moment, nicht zu tiefer Depression, sondern sexueller Befreiung führt.

Diese Massenvergewaltigung, aber auch die Reaktion darauf, waren zwei Hauptgründe für die holländische Empörung über diesen Film – der sehr wohl die Provokation sucht, aber halt nie in isolierende Sleazeabgründe abdriftet, sondern das Geschehen in ein gesellschaftliches Portrait packt, das ganz sicher näher an der Realität war als vielen Zuschauern lieb sein konnte. Was Quadrophenia, ein ansatzweise vergleichbarer Film, für die britische Jugend Ende der siebziger Jahre darstellte, war Spetters für Holland. Paul Verhoeven ging es um Lebendigkeit und Energie, immer pendelnd zwischen Dramatik, Entrüstung und roher Beklemmung. Ein weiterer klassischer Verhoeven-Moment ist auf jeden Fall, dass der holländischen Filmförderung ein abgeschwächtes Buch vorgelegt wurde – während am Set weiterhin der „real deal“ die Arbeitsgrundlage war.

Wenn man mal ein paar optische Entgleisungen und den dann doch eher nervigen Synthesizerscore außen vor lässt, bleibt ein nach wie vor frischer, sehenswerter Film eines Regissseurs, der wie kaum ein zweiter dem Mainstreamkino auf intelligente Weise provokative Exploitation einbläuen konnte. Dass der damalige deutsche Verleih keine Ahnung hatte, was er mit diesem Werk anfangen sollte, beweist der selten dämliche Untertitel („knallhart und romantisch“), doch dafür gibt es ja das Blu-Ray-Format und Label wie Koch-Media – die dem natürlich schon lange rehabilitierten Film eine gesunde „Special Edition“ spendieren. Das Bild und der Ton bewegen sich erwartungsgemäß auf gutem, aber ganz sicher nicht sehr gutem Niveau (vor allem was die dunklen Szenen betrifft — hier regieren Schlieren und Griesel), und die Extras sind vorzugsweise großartig – besonders der Audiokommentar von Verhoeven, das extensive Interview mit Kameramann Jost Vacano und eine Doku über den damaligen Skandal. Für alle, die Paul Verhoeven nicht nur mit seinen US-Krachern verbinden: Das ist die richtige Veröffentlichung dieses Films!

Spetters (Blu-ray)

Auf Paul Verhoeven war schon immer Verlass. Wenn jemand einen authentischen Film über die holländische Jugend Anfang der achtziger Jahre hinbekommt, dann er. Saufen, Sex, Prügeln und Motocross – in „Spetters“ geht es um elementare Dinge, die dann auch irgendwie als „coming of age“ durchgehen, aber halt nie so versöhnlich wie in vergleichbaren amerikanischen Werken. Als der Film erschien, löste er ob seiner expliziten Natur einen handfesten Skandal aus, der sogar ein eigenes Aktionsbündnis namens NASA (=niederländische-Anti-Spetters-Aktion) hervorrief und letztendlich ein triftiger Grund für Verhoevens Emigration nach Amerika war.
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