Das Mädchen von Triest

Eine Filmkritik von Rajko Burchardt

Die Frau, das unbekannte Wesen…

„Erwin C. Dietrich zeigt“, stand und steht es auf dem deutschen Plakat zu Das Mädchen von Triest geschrieben. Kein falscher Hinweis, so das Schweizer Multitalent den Film Anfang 1983 über seinen Verleih Ascot (stark gekürzt) in die Kinos brachte, und doch mindestens ein kleines Täuschungsmanöver: Mit der Produktion hatte Dietrich nichts zu tun, aber vielleicht würde sein Name in Verbindung mit einer zugkräftig entblößten Ornella Muti wenigstens noch das wollüstige Publikum locken. Wenn auch die flüchtige Nacktheit der seinerzeit überaus populären Hauptdarstellerin eigentlich das Uninteressanteste an diesem Film ist, der von fatalen Abhängigkeitsverhältnissen und wieder einmal der Unmöglichkeit wahrer Liebe handelt.
Um Entblößung geht es in Das Mädchen von Triest dennoch, nur eben weit weniger spekulativ. Der Comiczeichner Dino Romani (Ben Gazzara) trifft auf die hinreißende Nicole (Ornella Muti), mit der er in seinem Strandhaus einige romantische Stunden verbringt. So unvermittelt die Frau auf Dinos Bildfläche erschienen ist, so zügig verschwindet sie auch wieder von ihr. Nicole kokettiert mit Lügen und Geheimnissen, über ihre Identität lässt sie den alternden Künstler gezielt im Unklaren. Wenn sie des Nachts spurlos verschwindet, gesteht Nicole, möchte sie eben auch gesucht werden. Nachgerade erliegt Dino den Spielchen der geheimnisvollen Schönheit, deren Schutzmechanismen der Film bald erörterungswütig offen legt: Nicole ist Patientin einer Nervenheilanstalt und gilt als suizidgefährdet.

Das sich zaghaft aus der anfänglich kriminalistischen Prämisse herausschälende Melodram hat als mediterrane Variation auf Hitchcocks Vertigo wenig Bestand, dessen ungeachtet sich die Referenzanleihen subtiler ausnehmen als etwa im Frühwerk eines Brian De Palma. Wie dereinst James Stewart versteigt sich Ben Gazzara hier in das Abbild einer Frau, deren tatsächliche Eigenschaften ihn zu sehr verstören, als dass er sich ihnen erkenntlich zeigen könnte. Den Golden-Gate-Bridge-Sturz ins Wasser nutzt der Film leicht modelliert als einen Schlüsselmoment gleich zu Beginn seiner dargestellten verhängnisvollen Beziehung, die dort endet, wo sie auch ihren Anfang nahm. Bezeichnenderweise kritisiert ein IMDb-Rezensent ohne Verweis auf Vertigo, die Städte Triest und Venedig hätten wirkungsvoller genutzt werden können, weil sie als Orte der Vergangenheit eine surreale Qualität besäßen. Zum anstandsgemäßen Rip-Off reicht Das Mädchen von Triest dann also vielleicht doch nicht.

Obgleich Pasquale Festa Campanile, Autor der gleichnamigen Romanvorlage und Regisseur zahlreicher Sexklamotten mit programmatischen Titeln wie Das nackte Cello oder Als die Frauen noch Schwänze hatten, diese von bitterer Einsamkeit erzählende Liebesgeschichte weitgehend vor greisem Sleaze bewahrt, scheut er letztlich doch deren Komplexität. Das passiv-aggressive Gebaren der schönen Ornella Muti ist vor allem geeignet, die soundsovielte Verzweiflung alter Männer über das Nichtbegreifenkönnen der Frau ins gefühlstrunken-rechte (und leider von Originalität befreite) Bild zu setzen. Ganz so, als sei das wirklich immer noch wieder einen Film wert.

Das Mädchen von Triest

„Erwin C. Dietrich zeigt“, stand und steht es auf dem deutschen Plakat zu „Das Mädchen von Triest“ geschrieben. Kein falscher Hinweis, so das Schweizer Multitalent den Film Anfang 1983 über seinen Verleih Ascot (stark gekürzt) in die Kinos brachte, und doch mindestens ein kleines Täuschungsmanöver: Mit der Produktion hatte Dietrich nichts zu tun, aber vielleicht würde sein Name in Verbindung mit einer zugkräftig entblößten Ornella Muti wenigstens noch das wollüstige Publikum locken.
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Meinungen

Christian Schulze · 12.10.2020

"Erwin C. Dietrich zeigt" stand damals auf allen Plakten des Ascot-Verleihs - unabhängig davon, ob Dietrich den jeweiligen Film nur verlieh oder auch produziert hatte. Das hat also sicher nicht zu bedeuten, dass man "Das Mädchen von Triest" als Sexfilm verkaufen wollte.