Wer hat Angst vor Vagina Wolf?

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Liebesverzweiflung und künstlerische Krise

Abnehmen, einen Film machen, eine Partnerin finden – das sind die Ziele, die sich Anna zu Beginn des Films Who’s Afraid Of Vagina Wolf? anlässlich ihres 40. Geburtstags vornimmt. Aus Geldmangel lebt und arbeitet die kubanisch-amerikanische Künstlerin in der Garage ihrer Freundin Charlie (Celeste Pechous), raucht in ihrem Vagina-Kostüm Kette und versucht vergeblich das nächste Filmprojekt zu stemmen. Als sie aufgrund der inneramerikanischen Zeitverschiebung die Frist für eine Förderung verpasst, bricht schließlich ihre Welt zusammen. Doch wie immer im Leben ist auch dieses vermeintliche Ende eigentlich der Anfang.
Dass die Idee für Who’s Afraid Of Vagina Wolf in einer Garage entstand, weil Regisseurin und Hauptdarstellerin Anna Margarita Albelo kein Geld für eine eigene Bleibe hatte, ist nur eines der vielen autobiographischen Elemente dieser lesbischen Romantic Comedy. Auf verschiedensten Ebenen setzt sich Albelo hier sowohl mit ihrer lesbischen Identität und Sexualität als auch mit ihrem künstlerischen Schaffen auseinander, wobei die Handlung des Films ihrer Aussage nach nur zum Teil auf eigenen Erfahrungen beruht.

Von der Bekanntschaft mit der attraktiven Schauspielerin Katia (Janina Gavankar) beflügelt, beginnt die Leinwand-Anna nach ihrem Zusammenbruch wie von der Muse geküsst an einem neuen Projekt zu arbeiten: einer lesbischen Version von Who’s Afraid of Virginia Wolf, in der Katia eine der vier Hauptrollen übernehmen soll. Schnell sind auch die übrigen Parts mit Annas besten Freundinnen und der Autorin selbst besetzt und Mitstreiter_innen hinter der Kamera gefunden. Doch Annas heimliche Liebe zu Katia, Eifersüchteleien und die Konkurrenzsituationen zwischen den Darstellerinnen beginnen sich zunehmend mit der explosiven Leinwandhandlung zu vermischen. Bis die Bombe hochgeht.

In der ersten Viertelstunde wirkt Who’s Afraid of Vagina Wolf äußerst überzogen, vielleicht gar ein wenig „campy“. Die Figuren sind überzeichnet, der Humor recht flach. Es dauert eine Weile, bis man mit Annas schriller Welt warm geworden ist und selbst dann bleibt aufgrund der komödiantischen Brechung eine beträchtliche Distanz zwischen Zuschauer und Heldin bestehen. Dass Anna Margarita Albelo hinsichtlich ihrer Schauspielkünste erfahrenen Kolleginnen wie Guinevere Turner, Carrie Preston und Janina Gavankar sichtbar nicht das Wasser reichen kann, erschwert weiterhin den Zugang zur Hauptfigur. Auch sieht man dem gesamten Film bedauerlicherweise sein knappes Budget an, der eine oder andere Continuity-Fehler inklusive. Who’s Afraid of Vagina Wolf hat mit einigen technischen Problemen zu kämpfen, die den Filmgenuss insbesondere zu Beginn durchaus beeinträchtigen.

Mit fortschreitender Handlung jedoch beginnt sich das überdrehte Konzept zu beruhigen und gibt die Bühne frei für tiefergehende Emotionen und Probleme. Auf der einen Seite ist da ein klassischer Romantic Comedy Plot über Annas Schwärmerei für die kühle Katia, über der sie die aufrichtige Zuneigung ihrer Kamerafrau Julia (Agnes Olech) völlig übersieht. Gleichzeitig beschäftigt sich der Film mit ernsteren und vor allem universelleren Fragen nach unabhängiger Lebensgestaltung und dem Konflikt zwischen Sicherheit und künstlerischer Selbstverwirklichung.

Am stärksten aber ist Who’s Afraid of Vagina Wolf, wenn der Zuschauer Ausschnitte aus Annas Film im Film bewundern darf. Insbesondere Guinivere Turner läuft in der schwarz-weiß Inszenierung als Martha zur Höchstform auf. Ja, fast möchte man auf die verspielte Rahmenhandlung verzichten und ausschließlich die queere Adaption des Film-und Theaterklassikers genießen. Doch dieser Impuls tut Anna Margarita Albelo Unrecht, denn es ist eben jene Rahmenhandlung, die dem Kammerspiel eine eigene und völlig neue Dynamik verleiht.

Auf den letzten Metern gelingt es dem Film dann schließlich doch, das Publikum zu berühren, wozu die Musikuntermalung einen beträchtlichen Teil beiträgt. Bei aller Übertreibung ist Who’s Afraid of Vagina Wolf doch stets anzumerken, dass hinter der Fassade einer vermeintlich flachen Romantic Comedy eine sehr ehrliche und persönliche Auseinandersetzung steht. Vor diesem Hintergrund wirken kleinere Schwächen der Inszenierung plötzlich charmant und Anna Margarita Albelo, ob nun mit oder ohne nennenswertem Schauspieltalent, tritt endlich als die vielfältig begabte, kreative und vor allem mutige Künstlerin in Erscheinungen, die sie im wahren Leben ist.

Wer hat Angst vor Vagina Wolf?

Abnehmen, einen Film machen, eine Partnerin finden — das sind die Ziele, die sich Anna zu Beginn des Films „Who’s Afraid Of Vagina Wolf?“ anlässlich ihres 40. Geburtstags vornimmt. Aus Geldmangel lebt und arbeitet die kubanisch-amerikanische Künstlerin in der Garage ihrer Freundin Charlie (Celeste Pechous), raucht in ihrem Vagina-Kostüm Kette und versucht vergeblich das nächste Filmprojekt zu stemmen. Als sie aufgrund der inneramerikanischen Zeitverschiebung die Frist für eine Förderung verpasst, bricht schließlich ihre Welt zusammen. Doch wie immer im Leben ist auch dieses vermeintliche Ende eigentlich der Anfang.
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