Kurt Cobain – Tod einer Ikone (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Tom Grant versus Courtney Love

Zu der massiven Bestürzung und Trauer, die sich nach der Nachricht vom Tod des Musikers Kurt Cobain im April 1994 in Seattle weltweit ereignete, gesellte sich nicht nur bei vielen Fans des Sängers, Gitarristen und Komponisten von Nirvana sowohl spontan als auch allmählich die Überzeugung, dass es sich bei dem von Polizei und Presse behaupteten Suizid in Wahrheit um einen Mord handelt. Seitdem sprießen zahlreiche vage bis schlüssig erscheinende Spekulationen diesbezüglich aus dem Misstrauen den offiziellen Verlautbarungen gegenüber, die auch in Publikationen wie Love & Death: The Murder of Kurt Cobain / Mordfall Kurt Cobain: Was bisher verschwiegen wurde von Ian Halperin und Max Wallace, in Dokumentationen wie Kurt & Courtney von Nick Broofield sowie in Spielfilmen wie Last Days von Gus Van Sant Niederschlag finden.
In Form eines Doku-Dramas erscheint nun mit Kurt Cobain – Tod einer Ikone ein brandaktueller Stoff zu diesem Themenkomplex in Deutschland auf Blu-ray und DVD, der unter dem Originaltitel Soaked in Bleach – ein Zitat aus dem Nirvana-Song „Come As You Are“ – mit kriminalistischer Akribie die Tage vom ersten bis zum achten April 1994 rekonstruiert, in denen sich die tödliche Tragödie des Grunge-Stars anbahnte und ereignete. Im Fokus dieses fiktiv konstruierten Films mit Archivaufnahmen, Interviews und Dokumentationscharakter stehen die Person und die Nachforschungen des US-amerikanischen Privatdetektivs Tom Grant (Daniel Roebuck) als unmittelbar Beteiligtem an den damaligen Ereignissen. Denn der einstige Polizist wurde von Kurt Cobains (Tyler Bryan) Ehefrau Courtney Love (Sarah Scott) persönlich beauftragt, ihren offensichtlich untergetauchten Mann aufzuspüren, der nach seiner so bezeichneten Flucht vom Drogenentzug aus dem Exodus Recovery Center in Kalifornien am ersten April angeblich unauffindbar war.

Nach all den Jahren, reichlich Recherchen und einer anhaltenden Unbehaglichkeit in Bezug auf die geheimnisumwitterten Geschehnisse rund um den Tod Kurt Cobains ist es dem erfahrenen Ermittler Tom Grant unermüdlich ein dringendes Bedürfnis, eine Wiederaufnahme der Untersuchungen auch von Seiten der Polizei anzustreben, ja einzufordern: Ein Engagement, das er mit einigen Bezweiflern der Freitod-Version teilt, wie beispielsweise mit der Dülmenerin Katrin Bresche, die seit 2006 die Website mit dem Motto „Gerechtigkeit für Kurt Cobain“ betreibt. Neben der dominierenden Figur des Tom Grant, die eng an seine ebenfalls auftretende authentische Person angelehnt ist, sind es drei weitere wichtige Zeitzeugen, die im Film für die Version eines zumindest möglichen Mordkomplotts argumentieren: Norm Stamper als ehemaliger Polizeichef von Seattle, Dr. Cyril H. Wecht als damaliger Gerichtsmediziner und der Enthüllungsjournalist Max Wallace als Mitautor des Buches Mordfall Kurt Cobain. Sie untermauern mit ihren Aussagen die eklatanten Ungereimtheiten und die Vorwürfe Tom Grants an die oberflächliche bis unerklärlich schlampige Arbeit der Ermittlungsbehörde. Kurt Cobains damalige Anwältin Rosemary Carroll, die allerdings von einer Schauspielerin (Julie Lancaster) verkörpert wird, tritt ebenfalls als Zeugin der Anklage auf.

Es ist die Musikerin Courtney Love, die im Zentrum der Zweifel und auch der Anschuldigungen von Kurt Cobain – Tod einer Ikone steht. Bereits im Vorspann wird prophylaktisch angemerkt, dass die Witwe des Verstorbenen wohl kaum mit dieser Darstellung der Ereignisse und Erkenntnisse einverstanden ist, und in der Tat entwirft zuvorderst Tom Grant sowohl in seiner Fiktionsfunktion als auch in dokumentarischen Sequenzen eine konsequent negative Sicht auf die skandalträchtige Sängerin. Neben der (Re-)Konstruktion von möglichen Mordmotiven – es werden Anhaltspunkte und Zeugenaussagen darüber angeführt, dass Kurt Cobain die Scheidung sowie die Streichung seiner Frau aus seinem Testament beabsichtigte – wird Courtney Love als berechnender, manipulativer Vamp skizziert, der den Privatdetektiv in lasziver Aufmachung empfangen und die Sorge bezüglich eines Selbstmords ihres Mannes nur aus strategischen Gründen markiert habe.

Für Tom Grant hingegen wird ein geradezu glorifizierender Leumund moralischer wie professioneller Natur kreiert, der sich überwiegend aus Eigendarstellungen speist, in denen sich die polemische Ausrichtung des Films manifestiert. Das Doku-Drama setzt hierbei bewusst provokativ auf das dramaturgisch konstruierte, einseitig evozierte Duell Rechtschaffenheit versus Heimtücke, das in der Dämonisierung von Courtney Love und in der Heroisierung von Tom Grant kulminiert. Gestützt wird das Gerüst der Empörung von der ausführlichen, weitaus sachlicher erscheinenden Darstellung überwiegend bereits bekannter Ergebnisse der jahrelangen Nachforschungen mit Fokus auf der Mordthese, wie toxikologischen Befunden, Auffälligkeiten des Abschiedsbriefes sowie Ungereimtheiten und Fehlern im Rahmen der Polizeiarbeit und Berichterstattung.

Kurt Cobain – Tod einer Ikone bedient sich des hier deutlich auf emotionale Effekte und öffentlichkeitswirksame Skandalisierung zielenden Genres des Doku-Dramas mit der bekundeten Absicht, eine offizielle Neuaufnahme der Untersuchungen des Todes von Kurt Cobain zu erreichen, auch wenn der Leichnam längst eingeäschert wurde und der Fall gemeinhin als Suizid deklariert wird. In Anlehnung an ähnlich ambivalent rezipierte Ableben berühmter Personen wie Marilyn Monroe und John F. Kennedy herrscht hier vordergründig die Forderung nach Aufklärung und Gerechtigkeit, während kürzlich die sehr persönliche Dokumentation Cobain: Montage of Heck im Kino zu sehen war, von Kurt Cobains Tochter Frances Bean Cobain mit produziert und gemeinsam von ihr und ihrer Mutter Courtney Love kräftig und ungewohnt einig beworben. Dass Regie-Debütant Benjamin Statler dabei auf drastische Dramatisierung, den ungebrochenen Hype um die Legende Kurt Cobain auch als „Angehöriger“ des kuriosen „Club of 27“ der in diesem Alter verstorbenen Musiker sowie auf die plakative öffentliche Anklage von Courtney Love setzt, schmälert nur marginal die Relevanz der präsentierten Ermittlungen.

Das Bedürfnis und das berechtigte Bemühen zahlreicher Fans und anderer Zweifler weltweit, nicht nur den Tod, sondern auch den (finalen) Blick auf das Leben von Kurt Cobain jenseits der vorherrschenden, unschlüssigen Gemeinplätze zu relativieren, findet starken Widerhall in diesem Doku-Drama mit all seinen sympathischen bis spröden Polemisierungen. Zog der behauptete Suizid des Grunge-Musikers mit der geborgten Schrotflinte seines Freundes Dylan Carlson (August Emerson) seinerzeit so einige als Nachahmungstaten bewertete Freitode nach sich, ergibt sich hieraus auch eine komplizierte moralische Komponente hinsichtlich der Verantwortung derartiger „Propaganda“ von Polizei und Presse, deren Betrachtung Kurt Cobain – Tod einer Ikone vehement einfordert. Dass sich präzise Informationen rund um das Erscheinen des Films jenseits der Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray bei Ascot Elite recht rar gestalten, kurbelt verständlicherweise besonders die Neugier und die Erwartungen der passionierten Interessierten mächtig an, deren Reaktionen vermutlich eine neue Diskussion innerhalb dieser dauerhaften Debatte provozieren. Möglicherweise meldet sich ja auch die attackierte Witwe zu Wort, an welcher der öffentliche Druck jedoch durchaus auch abperlen könnte.

Kurt Cobain – Tod einer Ikone (Blu-ray)

Zu der massiven Bestürzung und Trauer, die sich nach der Nachricht vom Tod des Musikers Kurt Cobain im April 1994 in Seattle weltweit ereignete, gesellte sich nicht nur bei vielen Fans des Sängers, Gitarristen und Komponisten von Nirvana sowohl spontan als auch allmählich die Überzeugung, dass es sich bei dem von Polizei und Presse behaupteten Suizid in Wahrheit um einen Mord handelt.
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