Hide and Seek - Kein Entkommen (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

My home is (not) my castle!

Vielleicht kennt manch einer von uns ja auch das Gefühl, dass man in den eigenen vier Wänden nicht allein ist, sondern sich hinter dem Vorhang (da, diese seltsame Ausbeulung) oder im Keller eine finstere Gestalt verbirgt, die natürlich Böses im Schilde führt. Die schlechte Nachricht: Nach dem südkoreanischen Thriller Hide and Seek wird dieses Gefühl nicht unbedingt besser. Die gute: Immerhin wird man bis nach dem Ausschalten des heimischen DVD-Players bestens und auf überaus spannende Weise unterhalten.
Es ist etwas faul in der südkoreanischen Gesellschaft – davon kündet schon die Kinderstimme am Anfang des Films, die von Legenden (viel eher sind es Gerüchte) erzählt, es gäbe Menschen, die sich in die Wohnungen und Behausungen anderer Leute einschleichen würden, um dort unbemerkt von den eigentlichen Bewohnern zu leben und irgendwann deren Existenz anzunehmen. Dass ausgerechnet eine Kinderstimme hiervon scheinbar ungerührt und wie von einem Märchen erzählt, macht das Grauen, das sich dahinter verbirgt ebenso wenig besser wie die Tatsache, dass man als Zuschauer direkt in solch einen Fall hineingeworfen wird – von dem Hinweis, dass der Film auf wahren Ereignissen basiere, mal ganz zu schweigen. Und dass die folgende Geschichte quer durch alle gesellschaftlichen Schichten in Südkorea geht, verstärkt das Gefühl einer tiefgreifenden Verunsicherung noch weiter.

So ist es zuerst eine junge Frau, die in einem übel beleumundeten Viertel der Stadt von einem behelmten Stalker, der neben ihr wohnt, verfolgt und am Schluss der Eingangszene niedergeschlagen wird. Und selbst ihre selbst installierte Überwachung ihrer Wohnung kann nicht helfen, das Unglück zu verhindern. Ähnliches erwartet dann auch die sozial wesentlich besser gestellte Familie um Seung-soo ( Hyoen-ju Son), seine Frau Min-ji (Mi-seon Jeon) und die beiden Kinder, die in einer schicken Wohnung in einem bestens gesicherten Hochhaus wohnen. Schnell ahnt man, dass mit dem Vater der Familie etwas nicht stimmt: Tagsüber wird er von der geradezu zwanghaften Sucht nach Perfektion und Sauberkeit geplagt, nachts suchen ihn Albträume und Erinnerungsfetzen an eine Kindheitserinnerung heim, bei der er Schuld am weiteren Schicksal seines Bruders auf sich geladen hat. Der wird nach einem Gefängnisaufenthalt nun vermisst und ist just der Nachbar jener jungen Frau gewesen, die nun vermisst wird. Angetrieben von Schuldgefühlen macht sich Seung-soo in dem heruntergekommenen Wohnblock, der bald abgerissen werden soll, auf Spurensuche und entdeckt dabei Indizien, die seine Ruhelosigkeit noch weiter verstärken. Vor allem aber scheinen er und seine Familie selbst ins Visier des unheimlichen Mannes mit dem Motorradhelm zu geraten.

Jung Huhs Regiedebüt, für das er auch selbst das Drehbuch verfasste, ist ein erstaunlich reifer Thriller geworden, der statt der in Südkorea häufiger auftretenden Härte mehr auf psychologischen Horror baut und der es immer wieder schafft, mit überraschenden Wendungen und einem guten Gefühl für subtilen Spannungsaufbau und düstere Atmosphären ein Gefühl der permanenten Verunsicherung zu erzeugen. Bisweilen geraten seine Tricks und Kniffe zwar ein wenig plakativ (wenn beispielsweise Blut von einer Eisenstange tropft, obwohl dieses – zumindest bei Menschen mit normaler Blutgerinnung — längst angetrocknet sein müsste), insgesamt aber präsentiert sich der Film weitgehend aus einem Guss und erinnert in manchen Momenten gar an die Ikonographie und den psychischen Terror des italienischen Terrorsubgenres Giallo, ohne die drastischen Splatter- und Schockeffekte der Vorläufer nachzuahmen. Beachtlich ist dabei auch, wie lange Jung Huh es versteht, den durchaus ambivalenten Charakter Seung-soos in der Schwebe und den Zuschauer im Ungewissen darüber zu halten, ob der Mann nun Täter oder Opfer ist.

Hide and Seek ist ein Home-Invasion-Thriller der ganz und gar eigenen Art und eine kleine Entdeckung, die aufgrund der Urängste, an denen sie rührt, wohl einen recht nachhaltigen Eindruck hinterlassen dürfte. Vor allem aber ist der Film ein neuerlicher Beweis für die enorme Bandbreite und Qualität des südkoreanischen Kinos, das zwischen Arthouse und lupenreinem Genrekino nahezu jede Facette überzeugend auf die Leinwand zu bringen versteht. Mit Jung Huh ist nun ein neues Talent zu dem schon jetzt beinahe unerschöpflichen Pool an auf- und anregenden Filmemachern dazugekommen, das mit Hide and Seek eine Art Thriller-Variante von Kim Ki-duks Bin-jip vorlegt. Kein perfekter Film, aber einer, der ein Versprechen auf eine gute Entwicklung beinhaltet.

Hide and Seek - Kein Entkommen (Blu-ray)

Vielleicht kennt manch einer von uns ja auch das Gefühl, dass man in den eigenen vier Wänden nicht allein ist, sondern sich hinter dem Vorhang (da, diese seltsame Ausbeulung) oder im Keller eine finstere Gestalt verbirgt, die natürlich Böses im Schilde führt. Die schlechte Nachricht: Nach dem südkoreanischen Thriller „Hide and Seek“ wird dieses Gefühl nicht unbedingt besser.
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