Here Comes the Devil

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Die Kunst, den Horror in der Normalität zu verankern

Man mag es kaum glauben, aber der unsägliche 36 Pasos (a.k.a. Bloody Birthday) und Here Comes the Devil sind von ein und demselben Regisseur. Adrian Garcia Bogliano hat also doch Talent, denn am Budget kann es nicht liegen. Die mexikanische Produktion kam mit ganz wenig Geld aus, macht aber aus der Not eine Tugend. Herausgekommen ist ein bewusst langsam erzählter, faszinierender Arthaus-Horrorfilm, der mit seiner Unvorhersehbarkeit an unkonventionelle Genre-Klassiker der 1970er und 1980er Jahre erinnert.
Die Kinder Sara und Adolfo gehen zu einem Berg und verschwinden. Ihre Eltern Felix und Sol machen sich Sorgen und verständigen die Polizei. Tags darauf werden die Kinder gefunden. Ein Happy End, wie es scheint, doch dann nimmt Sol Veränderungen bei ihren Kindern war. Sie sucht eine Ärztin und einen Psychologen auf. Immer mehr kommt sie zu der Überzeugung, dass Sara in der Nacht ihres Verschwindens missbraucht worden ist. Aber war es wirklich der komische Kauz Lucio, wie Felix und Sol glauben? Und was ist in der Höhle, in die sich die Kinder begeben haben, wirklich geschehen?

Dass der deutsche Anbieter Pierrot le Fou den Film in seiner neuen Reihe kunstvoller Horrorfilme präsentiert, ist nur konsequent. Nach Linda’s Child ist dies der zweite Horrorfilm, der abseits üblicher Konventionen abläuft, aber gerade darum umso eindringlicher nachwirkt. Dabei kann man den Film auf zweierlei Art goutieren: Oberflächlich ist er ein relativ klar strukturierter Horrorfilm, aber darunter brodelt weit mehr, nämlich der Diskurs darüber, wie das Böse im Menschen Form annimmt. Und das ganz ohne geisterhafte oder dämonische Einwirkung. Die gibt es hier, aber nicht so, wie man das erwartet. Und keineswegs dergestalt, dass das Übernatürliche der Auslöser ist.

Der Teufel muss nicht erst kommen, um die Familie ins Unglück zu stürzen. Dazu sind sie alle durchaus selbst in der Lage. Das Böse ist Teil ihrer Essenz, sie sind Mörder, Schläger, Inzestbetreiber, womit sie genau den Schlag Mensch darstellen, auf den das Böse in den Bergen gewartet hat.

Here Comes the Devil ist ein Film mit hohem Interpretationsspielraum. Anfangs gleicht er mehr einem Drama, in dem die Auswüchse dessen, was in dieser Familie schief läuft, schon zu sehen sind. Das Übernatürliche hält dann jedoch nur sehr zurückhaltend Einzug. Immer wieder lockt Bogliano den Zuschauer in eine Falle. Jedes Mal, wenn man denkt, den Film durchschaut zu haben, wenn man glaubt, Besessenheitshorror zu verfolgen, nimmt er ganz neue Ansätze auf. Er spielt mit der Frage nach Schuld und Sühne, entfaltet seine Stärke vor allem als Drama, aber auch durch die Inszenierung einer tristen Erlebniswelt, in der eines im Grunde schon gilt, bevor die Kinder überhaupt die Höhle betreten: Diese Menschen sind innerlich längst tot.

Die mexikanische Produktion lässt den Zuschauer arbeiten. Hier wird nicht jedes Detail mundfertig serviert, man muss mitdenken, auch und gerade, wenn das Finale kommt, das – so gehört es sich für diesen Film aber auch – ein letztes Mal alle Erwartungen übertrifft. Vieles bleibt im Vagen, aber das ist das Reich, in dem die Phantasie des Zuschauers besonders herausgefordert wird. Das Ergebnis ist intelligenter Horror, der langsam kommt, aber mit seiner ambivalenten Erzählweise umso wirksamer ist.

Here Comes the Devil

Man mag es kaum glauben, aber der unsägliche „36 Pasos“ (a.k.a. „Bloody Birthday“) und „Here Comes the Devil“ sind von ein und demselben Regisseur. Adrian Garcia Bogliano hat also doch Talent, denn am Budget kann es nicht liegen. Die mexikanische Produktion kam mit ganz wenig Geld aus, macht aber aus der Not eine Tugend. Herausgekommen ist ein bewusst langsam erzählter, faszinierender Arthaus-Horrorfilm, der mit seiner Unvorhersehbarkeit an unkonventionelle Genre-Klassiker der 1970er und 1980er Jahre erinnert.
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