Das Rasthaus der teuflischen Schwestern

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

In der Hitze der Wüste

Das Rasthaus der teuflischen Schwestern ist einer jener Filme, die im Verborgenen schlummern. Irgendwann wurden sie einmal mit einem ansprechenden, aber letztlich kleinen Budget gedreht, um als reißerisch beworbene Schocker ihr Geld wieder einzuspielen. Manche dieser Werke verschwinden komplett in der Versenkung der Filmgeschichte, andere erscheinen auf DVD, wo sie wiederentdeckt werden können. Denn sie sind mehr als reißerische Schocker.
Der ungarische Flüchtling Symcha Lipa (Jack Lord) wandert auf einer Landstraße unter der sengenden Sonne Arizonas. Nachdem das erste Auto einfach vorbeigefahren ist, hält Mickey Terry (Susan Strasberg) mit ihrem Jeep an, um dem Fremden zu helfen. Die attraktive Frau bringt Lipa zu einer Tankstelle, die sie zusammen mit ihren Schwestern Nan (Tisha Sterling) und Diz (Collin Wilcox Paxton) betreibt. Aber das Geschäft läuft mitten in dem Wüstenkaff nicht gut, das fast vollständig zu einer ausgestorbenen Geisterstadt verkommen ist. Lipa fühlt sich zu Mickey hingezogen. Um ihr Herz zu gewinnen, bleibt er bei den Schwestern, die ihm unterschiedliche, schaurige beziehungsweise tragische Versionen über den Tod ihres Vaters erzählen. Irgendein Geheimnis scheint unter der Familienoberfläche zu lauern und Lipa lässt sich auch von einem Anschlag auf sein Leben nicht davon abbringen, dieses zu lüften.

Als Flüchtling wandert Lipa durch ein Amerika, das ihm buchstäblich grenzenlos vorkommen muss, so weitläufig wirkt die Wüstenlandschaft mit ihrem mächtigen Horizont. Nachdem der Ungar zu Mickey Terry ins Auto gestiegen ist, fahren sie über eine langgestreckt-gerade Straße auf den Horizont zu, deren graues Asphaltband die Wüste in zwei Hälften teilt. Kameramann Vilmos Zsigmond, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten seit über zehn Jahren an diversen kleinen Filmen mitgewirkt hatte, dessen große Zeit bei Brian De Palma, Robert Altmann oder Steven Spielberg aber noch kommen sollte, beweist hier sein Gespür für inhaltsstarke Bilder. Geschickt nutzt er die mythologische Qualität der Wüstenlandschaft, die faszinierend aber auch trügerisch-gefährlich wirkt, um Lipas und Mickeys Fahrt einen unsicheren Anstrich zu geben. Während sie in Richtung Horizont wie in eine gemeinsame Zukunft fahren, erzählt Zsigmond mithilfe seiner Bildkomposition vom Widerstreit aus Chance und Verfall, denn die Wüste bedroht jeden mit dem Tod, der ihr nicht gewachsen ist.

So nimmt Zsigmond dank seiner Fertigkeiten an der Kamera einen zentralen Platz bei der Gestaltung des Films ein. So wie er zu Beginn die Landschaft auf symbolische Weise eingefangen hat, so nimmt er kurze Zeit später auch die Tankstelle der Schwestern und die Geisterstadt auf. Der Verfall, der überall sichtbar wird, ist eine Sache, aber Zsigmond gelingt es auch das Leben zu verdeutlichen, das hier einmal existierte. In der Nacht wirkt die Stadt mit ihren ästhetisch-blau schimmernden Gebäuden für einen kurzen Augenblick wieder wie der typische amerikanische Sehnsuchtsort, der an irgendeiner Landstraße gelegen, Freiheit und die Erfüllung der eigenen Wünsche verspricht. Aber dann geht es in die örtliche Kneipe hinein und die Trostlosigkeit steht den wenigen Gästen ins Gesicht geschrieben. Das Versprechen Amerikas auf eine bessere Zukunft, das den Schmierstoff für die Gesellschaft bildet, scheint zu Staub zerfallen zu sein. Überall findet Zsigmond Symbole für den Abstieg, die ihre brutale Kraft erst aus dem Kontrast zu den Zeichen des vergangenen Lebens gewinnen.

Überraschenderweise gibt es aber auch hier keine Eindeutigkeit. Ein heruntergekommenes Gebäude mit einem Arkadengang lädt der Kameramann geradezu poetisch auf, indem sich dessen Bögen als schwarze Silhouetten gegen das helle Wüstenlicht abheben. Wenn Mickey und Lipa hier einen Spaziergang machen, dann entsteht ein romantisches Bild der Zweisamkeit, das so gar nicht zum sonstigen Familienverhalten passt. Denn Lipa wird zwar gastfreundlich aufgenommen, aber reißerische Erzählungen über die Vergangenheit, gewalttätige Attitüden der Schwestern und der Hang zu seltsamem Schabernack, der stets umzukippen droht, erscheinen nicht vertrauenerweckend. Die Familie als Ort der Sicherheit ist ebenso vom Verfall bedroht wie die Stadt drum herum. Das Versprechen nach Wohlstand und Glück ist nur noch ein Abklatsch seiner selbst. Und der Flüchtling, der im Mythos Amerika sein Glück sucht, landet an einem Ort der Trugbilder, an dem nichts mehr sicher ist.

Das Master für die DVD basiert auf einer abgenutzten Filmkopie, die ein paar analoge Defekte aufweist. Überblendzeichen sind ebenfalls vorhanden. Die Schärfe ist an sich in Ordnung, auch wenn man natürlich mit einer etwas weichen Optik leben muss. Die Farben sind ausgebleicht und der Kontrast kann nicht verhindern, dass manche Szenen überstrahlen und bei dunklen Aufnahmen das eine oder andere Detail verschluckt wird. Manche Nachtszenen sehen milchig aus. Das deutlich sichtbare Filmkorn stört nicht. Die Bildqualität der DVD lässt sich natürlich nicht mit aktuellen Filmen vergleichen, aber sie ist angesichts des seltenen, alten Films völlig in Ordnung. Die Mono-Tonspuren sind natürlich nicht ganz rauschfrei, aber die Dialoge lassen sich gut verstehen. Nennenswerte Verzerrungen gibt es nicht.

Im Audiokommentar plaudert Drehbuchautor Gary Crutcher aus dem Nähkästchen. In seiner lebhaften Schilderung folgt ein absurdes Ereignis, das während der Dreharbeiten passiert sein soll, auf das nächste. Man ist sich nicht immer ganz sicher, ob alles stimmt, aber zwischen Streitereien, Alkohol und spaßigen Erlebnissen entsteht das irrwitzige Bild einer Independent-Filmproduktion Ende der 1960er Jahre. Daneben geht Crutcher aber auch noch auf einige Aspekte des Drehortes ein und erläutert die Entstehungsgeschichte des Drehbuchs. Daniel Griffith, der die ebenfalls auf der DVD enthaltene Dokumentation Psycho’s Sister über Das Rasthaus der teuflischen Schwestern gedreht hat, moderiert den Kommentar, um bestimmte Aspekte in den Fokus zu rücken.

In der gut 40-minütigen Dokumentation Psycho’s Sister, in der unter anderem auch Joe Dante, Drehbuchautor Gary Crutcher und Kameramann Vilmos Zsigmond zu Wort kommen, geht es um die Produktionsgeschichte des Films. Den Anfang macht die 10-jährige Odyssee des Drehbuchs, für dessen Verfilmung zwischenzeitlich auch mal Roman Polanski im Gespräch war. Danach geht es um die schwierigen Verhältnisse am Set, die Darsteller, die Bildgestaltung und auch die Entstehung der Musik. Einige der Geschichten im Audiokommentar und in der Dokumentation wiederholen sich, aber letztlich lohnt sich beides.

Eine Bildergalerie und Trailer zum Film sind auf der DVD ebenfalls enthalten. Eine zusätzliche DVD-ROM enthält die Datei einer HD-Fassung des Films. Das 8-seitige Booklet enthält den damaligen Werberatschlag des deutschen Verleihs.

Das Rasthaus der teuflischen Schwestern

„Das Rasthaus der teuflischen Schwestern“ ist einer jener Filme, die im Verborgenen schlummern. Irgendwann wurden sie einmal mit einem ansprechenden, aber letztlich kleinen Budget gedreht, um als reißerisch beworbene Schocker ihr Geld wieder einzuspielen. Manche dieser Werke verschwinden komplett in der Versenkung der Filmgeschichte, andere erscheinen auf DVD, wo sie wiederentdeckt werden können. Denn sie sind mehr als reißerische Schocker.
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