Der Mann mit dem Karateschlag

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Lederhandschuhe in Hongkong

Viele Menschen essen gerne Pommes frites und Pizza. Wie lecker muss dann erst eine mit Pommes belegte Pizza schmecken. In einem Anfall absonderlicher Neugier habe ich das Experiment in einem toskanischen Bergdorf selbst getestet, stand in der dortigen Pizzeria diese kulinarische Spezialität doch auf der Speisekarte. Unnötig zu erwähnen, dass alle anderen Gäste, die das Experiment mit dem wohlklingenden Namen Pizza Patata ebenfalls testeten, höchstens 15 Jahre alt waren und dass die beiden Klassiker der schnellen Küche durch die Kombination ihre jeweiligen ureigenen Qualitäten einbüßten. Wenn einem also die DVD-Veröffentlichung des Films Der Mann mit dem Karateschlag als „Giallo-Eastern Crossover“ angekündigt wird, gibt es Gründe, misstrauisch zu sein.
Der Ehemann der sexuell sehr aktiven Jeanny kommt bei einem Flugzeugabsturz in Thailand ums Leben. Die Witwe trauert jedoch nur zum Schein, denn einerseits hat sie sich ohnehin nur noch mit unterschiedlichen Liebhabern vergnügt und andererseits steht ihr nun der Anteil an einem florierenden Nachtklub zu, bei dem ihr Mann Teilhaber war. Sie verlangt, diesen in bar ausbezahlt zu bekommen. Der Geschäftsführer des Klubs benötigt jedoch ein paar Tage, um die entsprechende Summe zu berechnen. Während dieser Zeit bringt ein unbekannter Killer Frauen aus dem Umfeld des Lokals um, indem er ihnen mit einem Rasiermesser schwere Verletzungen zufügt. Es dauert nicht lange, bis auch Jeanny ins Fadenkreuz des Täters gerät, die beiden noch lebenden Klubbesitzer sich gegenseitig beschuldigen, der Mörder zu sein, und ein Inspektor der Hongkonger Polizei die Ermittlungen aufnimmt.

Wenn Seltenheit ein Wert an sich ist, dann hat Der Mann mit dem Karateschlag schon gewonnen. Denn Bekanntheitsgrad und Verfügbarkeit des merkwürdigen Films halten sich in Grenzen. Sammler haben hier also ein Objekt vor sich, mit dem sie andere Sammler beeindrucken können, schließlich werden wohl nur wenige Menschen dieses Werk ebenfalls besitzen.

Es könnte aber auch nicht schaden, wenn weitere Qualitäten hinzukämen. Die Gründe für die werbenden Worte „Giallo-Eastern Crossover“ liegen auf der Hand. Blutige Details werden einem hier zwar weitgehend erspart, weil kurz vor der Durchführung der Morde ein Filmschnitt erfolgt, aber das Motiv des Lederhandschuhkillers ist in Verbindung mit zuvor gezeigtem Sex dem italienischen Giallo entlehnt. Für die Eastern-Momente sorgen Martial-Arts-Scharmützel mit einem aus einer psychiatrischen Anstalt entflohenen Herumtreiber (Bolo Yeung), den die Polizei als Mörder verdächtigt. Immer wenn alles etwas zu ruhig zu werden droht, wird die Figur aus dem Hut gezaubert, damit ein bisschen Prügelei eingestreut werden kann. Sonst ist der Entflohene für nichts weiter gut. Erzählerische Verknüpfungen zwischen den Eastern- und den Giallo-Elementen sucht man jenseits der als Feigenblatt präsentierten Mordverdächtigungen vergeblich. Überhaupt gehört ein schlüssiger Handlungsaufbau nicht zu den Stärken der beiden Regisseure, sie begnügen sich damit, einzelne Szenen aneinanderzuschneiden.

Die Giallo- und Eastern-Teile des Films gehen folglich keine schmackhafte, sich gegenseitig befruchtende Liaison ein, sondern hängen jeweils in der Luft. Das verleiht dem Film wahlweise die Aura grenzenloser Stümperei oder unfreiwilliger Avantgardekunst. Denn auch wenn Erotik, Spannung oder Action keine große Rolle spielt, ganz ohne inszenatorische Ideen haben die beiden Regisseure den Film auch nicht gedreht. Um visuell ans italienische Kino anzuknüpfen, sind manche Szenen, darunter auch eine Frau unter einer Dusche, in Rotlicht getaucht. Da Kontraste zu anderen Farben fehlen — das komplette Bild wirkt jeweils rot eingefärbt -, gibt es keine spannungsreiche Bildkomposition. Das sieht dann nur nach billigem Puff aus. Demgegenüber erinnern die Sexszenen, ebenfalls mit Rot beziehungsweise Orangetönen gefilmt, an merkwürdiges Performancetheater. Das liegt einerseits daran, dass sie teilweise in einem komplett mit schwarzem Stoff ausgelegten Studioraum gedreht wurden, der so gar nichts mehr mit dem Schlafzimmer zu tun hat, das noch wenige Sekunden vor dem Akt zu sehen war. Und andererseits an den mechanischen, eher gelangweilten Bewegungen der männlichen Darsteller, deren Beckenaktivität oft durch Nahaufnahmen der Pobacken betont wird.

Zusammen mit einem ständig im Dunkeln tappenden Polizisten, grotesken Privatermittlungen des Nachtklubteilhabers, der lächerliche Indizien zutage fördert, und beschwingter, sehr stimmungsvoller Musik ist ein merkwürdiges Stück Kino entstanden, das weder Giallo- noch Eastern-Qualitäten besitzt, dafür aber auch einzigartig sein dürfte.

Genau lässt sich natürlich nicht sagen, wie viele Quellen es weltweit für diesen Titel noch gibt, aber viele dürften es nicht sein. Denn in Hongkong wurden Filme früher kaum oder nur sehr schlecht archiviert. Deswegen überrascht es nicht, dass filmArt nur ein Master zur Verfügung stand, das auf einer deutschen, durchaus mitgenommenen Filmkopie beruht. Neben sichtbarer Materialkörnigkeit und eingeschränkter Schärfe muss man sich deswegen auch auf Farben einlassen, die nicht ganz taufrisch sind. Auch der Kontrast erreicht nicht das Niveau heutiger Verfilmungen, sodass viele Bildinhalte recht dunkel aussehen. Man kann zwar nicht genau wissen, wie gut ausgeleuchtet einzelne Szenen wirklich waren, aber ganz so dunkel dürfte es auch nicht ausgesehen haben, wenn beispielsweise eine Frau auf der Flucht vor dem Mörder kreuz und quer durch ihr Haus rennt. Die Schwächen überraschen angesichts der Seltenheit des Films aber nicht und sie sorgen auch nicht dafür, dass der Film unguckbar wird. Wer ein bisschen Patina bei alten Filmen gewöhnt ist, der kommt auch mit dieser DVD gut zurecht, und wer sich diesen Film kauft, der macht das ohnehin nicht, weil er glaubt, Bildqualität auf Blockbuster-Niveau präsentiert zu bekommen.

Da nur die deutsche Fassung des Films zur Verfügung stand, ist auf der DVD auch nur der deutsche Monoton enthalten. Das ist angesichts der Materiallage verständlich und deswegen auch kein Anlass zur Kritik. Hintergrundrauschen ist vorhanden, außerdem klingt der Ton etwas dumpf, aber nicht so stark, dass es stören würde.

Das Bonusmaterial besteht aus einer restaurierten Fassung des Films, bei der die Unterschiede zur regulären Fassung aber kaum auszumachen sind. Es sieht so aus, als habe man ein paar der analogen Abnutzungserscheinungen reduzieren können. Eine Bildergalerie und der deutsche Trailer, der sich redlich bemüht den unsinnigen deutschen Titel zu rechtfertigen, sind auf der DVD ebenfalls enthalten.

Der Mann mit dem Karateschlag

Viele Menschen essen gerne Pommes frites und Pizza. Wie lecker muss dann erst eine mit Pommes belegte Pizza schmecken. In einem Anfall absonderlicher Neugier habe ich das Experiment in einem toskanischen Bergdorf selbst getestet, stand in der dortigen Pizzeria diese kulinarische Spezialität doch auf der Speisekarte.
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