Weiße Margeriten

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Intrigen in Politik und Liebe

Brodelt es im Paris des auslaufenden 19. Jahrhunderts vor politischen Umtrieben und militärischen Aufläufen, nimmt das Volk gern jede Gelegenheit wahr, um ausgelassen in den Straßen der französischen Metropole zu jubeln und zu feiern – so auch am Nationalfeiertag bei einer prächtigen Parade des Generals François Rollan (Jean Marais), der jüngst zum Kriegsminister berufen wurde und sich nonchalant den Massen präsentiert. Vor diesem Szenario ereignet sich die schelmische Komödie Weiße Margeriten von Jean Renoir aus dem Jahre 1956 mit einer vergnüglichen Ingrid Bergman als polnische Gräfin Elena Sokorowska in der Hauptrolle, welche die titelgebenden Blumen so harmlos wie wirkungsvoll als Glücksbringer an einen mächtigen Mann verschenkt.
Äußerst attraktiv, agil und lebenslustig residiert die adelige Witwe Elena (Ingrid Bergman) in Paris, lässt sich hemmungslos von Männern umschwärmen und entschließt sich unbekümmert dazu, den betuchten älteren Schuhfabrikanten Martin-Michaud (Pierre Bertin) zu heiraten, als ihre finanziellen Mittel zur Neige gehen. Bei der Parade zum 14. Juli begegnet die schöne Gräfin dem Comte Henri de Chevincourt (Mel Ferrer), der sie – fasziniert von ihrem anziehenden Wesen – seinem Freund General Rollan vorstellt, der sogleich Feuer fängt und darauf drängt, ein Wiedersehen mit Elena zu arrangieren. Doch diesen Abend verbringt die Frau mit der weißen Margerite zunächst in zärtlicher Annährung recht trinkselig mit Henri, der sie am nächsten Tag vergeblich aufsucht, denn Elena ist mittlerweile zu ihrem Verlobten auf dessen Schloss gereist, wo zu einer erlesenen Gesellschaft auch Henri und Rollan erscheinen. Aufgrund von politischen Interessen wird Elena mit Zustimmung ihres Verlobten, der auf einen Krieg mit Deutschland und reichlich Bedarf an Soldatenstiefeln spekuliert, auf Rollan angesetzt, der als künftiger Präsident von Frankreich favorisiert wird, und es entspinnt sich ein heiterer, wirrer Reigen um Liebeskeimungen und Machtbestrebungen…

Der französische Filmemacher und -kritiker Jean-Luc Godard, der als bedeutender Repräsentant der Nouvelle Vague geradezu verschwörerisch für die Filme von Jean Renoir schwärmt, hat Weiße Margeriten, der seinerzeit allgemein nur punktuelle Anerkennung hervorrief, als den „intelligentesten Film der Welt“ ausgelobt, als „Kunst und zugleich Theorie der Kunst. Schönheit und zugleich das Geheimnis der Schönheit. Kino und zugleich Erklärung des Kinos.“ Auch wenn sich diese Wertschätzung der Superlative sicherlich überwiegend auf die speziellen, internen und extravaganten Betrachtungen des einstigen Mitbegründers der Cahiers du cinéma beschränkt, stellt Weiße Margeriten als spätes Werk von Jean Renoir mit seiner souveränen Leichtigkeit, seinen farbenfrohen choreographischen Arrangements und seiner hintergründigen, unterschwellig provokant gestalteten Thematik eine schillernde Komödie dar, deren großartiges Finale die Botschaft betont, dass Liebe und Leidenschaft deutlich vor politischen Ambitionen rangieren.

Kennt und verehrt man sie doch vor und nach dieser Rolle nicht zuletzt auch aufgrund ihrer melancholischen Qualitäten, erscheint Ingrid Bergman als Elena hier so unbeschwert und lakonisch wie selten als strahlend-starke Frauenfigur, die lässig mit ihren Empfindungen jongliert und jeder Wendung spontan und lustvoll folgt. Es sind die weiblichen Präsenzen wie Elina Labourdette als Rollans Geliebte Paulette und vor allem auch die bezaubernde Juliette Gréco als feurige Sängerin Miarka, die gemeinsam mit Elena die romantischen wie politischen Vorgänge wahrhaft dominieren, während die vermeintlich wichtigen Männer vordergründig ihre Pläne schmieden. Am Ende, wenn ein vorgetäuschter Kuss eine ganze Kulisse von Liebespaaren zur intensiven Mund-zu-Mund-Interaktion inspiriert, destilliert die Bedeutung von Intrigen und Spielchen in dieser Vorstellung, die es glänzend versteht, die Grenzen zwischen Inszenierung und Schicksalhaftigkeit zu verwischen.

Weiße Margeriten

Brodelt es im Paris des auslaufenden 19. Jahrhunderts vor politischen Umtrieben und militärischen Aufläufen, nimmt das Volk gern jede Gelegenheit wahr, um ausgelassen in den Straßen der französischen Metropole zu jubeln und zu feiern – so auch am Nationalfeiertag bei einer prächtigen Parade des Generals François Rollan (Jean Marais), der jüngst zum Kriegsminister berufen wurde und sich nonchalant den Massen präsentiert.
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