Der Klang von Eiswürfeln

Eine Filmkritik von Martin Beck

Der Luxus, das eigene Leben zu hassen

Die deutsche Veröffentlichung von Der Klang von Eiswürfeln dürfte dem großen Erfolg von Ziemlich beste Freunde geschuldet sein. Wenn eine Komödie ungestraft eine körperliche Behinderung thematisieren kann, dann sollte es doch eigentlich auch möglich sein, über eine Krebserkrankung zu lachen. Die allerdings nicht der Anlass für eine rührselige Freundschaft ist, sondern vielmehr eine überdrehte Farce heraufbeschwört. Und den Krebs als menschliche Nervensäge mit maßgeschneidertem Anzug manifestiert.
Jener Todesbote, gespielt von Albert Dupontel, klingelt eines Tages an der ländlichen Villa von Charles Faulque (Jean Dujardin), einem abgehalfterten Schriftsteller mit Vorliebe für kühlen Wein, junge Frauen und misanthropische Hochnäsigkeit. Fortan klebt der Krebs an Faulques Seite und nervt mit penetranter Aufdringlichkeit, doch der Schriftsteller denkt gar nicht daran, seinem Leben eine läuternde Wendung zu geben. „Ich wurde ein Schriftsteller und ein Alkoholiker, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“

Der Klang von Eiswürfeln ist ein Film über den Luxus, das eigene Leben zu hassen, eine bitterböse Komödie über Dekadenz, Faulheit und Egoismus – alles Themen, die Regisseur Bertrand Blier in seiner langen Karriere bereits ausgiebig thematisiert hat. Faulque wirft sein Talent zugunsten eines zynisch verzerrten süßen Lebens fort, was aber keineswegs als verwerflich dargestellt wird, sondern vielmehr Grund für zahlreiche Streitereien mit seinem Krebsgeschwür ist. Die beiden Männer sind arrogante Sturköpfe, ihre Auseinandersetzungen oftmals lautstarke Wortgefechte. Wie gut deswegen, dass der Krebs für andere unsichtbar ist, es sei denn, eine Person hegt große Zuneigung für Faulque.

Bertrand Blier ist bereits über 70 Jahre alt, doch seine Lust an absurder Komik ist anscheinend nach wie vor am Köcheln. Der Klang von Eiswürfeln erscheint wie ein schräges Theaterstück, das sich, beschränkt auf wenige Handlungsorte und Personen, wie eine hysterische Version von Mein Freund Harvey aufführt. Albert Dupontel ist hier ganz in seinem Element und strahlt erneut eine seltsam faszinierende bis ungemütliche Intensität aus, die dem Film immer wieder Schwung gibt, aber ihn auch lähmt. Das Setting ist einfach zu begrenzt für ständige Schreiduelle, die eigentlich nur von Haushälterin Louisa (Anne Alvaro) abgefedert werden – einer zum Glück zunehmend spannenden Person, die heimlich in Faulque verliebt ist und eines Tages tatsächlich ebenfalls todbringenden Besuch bekommt.

Alles bei Der Klang von Eiswürfeln steuert auf einen Läuterungsprozess zu, getragen von wahren Gefühlen und der Erkenntnis, dass das Leben gar nicht so furchtbar ist. Im letzten Drittel jedoch setzen nochmal ordentliche Schüttelproben ein, die im besten Fall dem Schalk von Blier zuzuschreiben sind, aber eigentlich eher die Chance verpassen, dem erschöpfenden Treiben einen frischen Drall zu geben. Stattdessen wird die Konstellation einfach weiter getrieben, trotzige Wendungen entbehren dramatischer Motivation und am Ende dann fehlt ein klarer Punkt. Muss exzessives Leben (oder, besser, Nicht-Leben) unbedingt bestraft werden? Wer weitere Filme des Regisseurs kennt, kennt auch die Antwort.

Solch eine unkonventionelle Entwicklung der Handlung mag dem Mainstream ein störrisches Bein stellen, doch genauso fühlt man sich allein gelassen – mit einem grundsätzlich schwierigen Thema, das einfach keinen Bogen Richtung Zuschauer schlagen möchte und vor allem durch seinen lauten, seltsam planlosen Bluthochdruck in Erinnerung bleibt. Trotz Albert Dupontel. Und auch trotz Jean Dujardin, der ebenfalls sehr gut spielt…und mit seinem Sparringspartner eine satte Chemie entfacht. Die in einem anderen Film, am besten ohne „high concept“ und einem Regisseur, den man am besten in Rückenlage würdigt, einen wesentlich gehaltvolleren und nicht ganz zu ziellos gestikulierenden Nährboden verdient hätte.

Der Klang von Eiswürfeln

Die deutsche Veröffentlichung von „Der Klang von Eiswürfeln“ dürfte dem großen Erfolg von „Ziemlich beste Freunde“ geschuldet sein. Wenn eine Komödie ungestraft eine körperliche Behinderung thematisieren kann, dann sollte es doch eigentlich auch möglich sein, über eine Krebserkrankung zu lachen. Die allerdings nicht der Anlass für eine rührselige Freundschaft ist, sondern vielmehr eine überdrehte Farce heraufbeschwört. Und den Krebs als menschliche Nervensäge mit maßgeschneidertem Anzug manifestiert.
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