Der Mann auf dem Dach

Eine Filmkritik von Martin Beck

Der Polizist mit den Furchen

Zugegeben, der Titel ist nicht gerade ein Reißer: Der Mann auf dem Dach, das hört sich so spannend an wie Die Frau im Garten. Die aber wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen würde, dass sich hinter den nüchternen Worten ein exzellenter Polizeifilm verbirgt. Quasi ein Schwedenkrimi (TM), aus einer Zeit, als es dieses Wort noch gar nicht gab.
Der Protagonist in Der Mann auf dem Dach ist Kommissar Beck, dessen Figur bis heute Fernsehmorde löst und mit seiner lakonischen, furchengegerbten Art zum Beispiel an Walter Matthau erinnert – der ihn in Massenmord in San Francisco (1973) sogar mal „gedoubelt“ hat. Kommissar Beck ist durch und durch Kommissar, auch weil ihm die Arbeit, bzw. der Polizeialltag schon ziemlich zugesetzt hat.

Eine der Stärken von Der Mann auf dem Dach ist die realistische Schilderung dieses Alltags, der mittels viel Handkamera, natürlichen Lichts und großartiger Darsteller greifbar vermittelt wird. Das Team um Carl-Gustav Lindstedt, der als Kommissar Beck einfach perfekt besetzt ist, wühlt sich durch eine Polizeiprozedur, die ihre Spannung aus der genauen Beobachtung ihrer Arbeit bezieht.

Regisseur Bo Widerberg, der nach eigener Aussage stark von French Connection beeinflusst wurde, beweist zum Glück genügend Nerven, die stoische Aufklärung des Falls nicht künstlich aufzuhübschen. Nach einem äußerst spannenden Anfang, der jedem Horrorfilm zur Ehre gereichen würde und die Abschlachtung eines im Krankenhaus liegenden Polizeikommissars zeigt, geht es erstmal um Ermittlungen, Büroschreibtische und verpatzte Feierabende.

Ob man diesen Abschnitt nun als Hänger oder scharf beobachtendes Dokudrama titulieren möchte: In der zweiten Hälfte dürfte man sich auf jeden Fall einig sein – und darüber die erste Hälfte doch noch unisono toll finden. Denn was Bo Widerberg hier inszeniert, ist verflucht spannendes und rasantes Thriller-Kino, das tatsächlich den Realismus der ersten Hälfte beibeihält und somit noch mehr Adrenalin freisetzt, quasi durch den deutlichen Gegensatz zur unrasierten Wühlarbeit.

Kommissar Beck kann den Killer zwar entlarven, doch dann entwischt er ihm und verschanzt sich auf dem titelgebenden Dach eines Wohnhauses, von dem aus das Feuer auf vorzugsweise Polizisten eröffnet wird. Das Motiv des Killers stellt sein Opfer postum so weit in den Schatten, dass die Sniper-Attacken durchaus doppeldeutig zu werten sind und der nun folgenden Action einen nach wie vor griffigen Unterbau verleihen. Genau das ist die große Stärke von Der Mann auf dem Dach: Man fühlt sich wie selbst im Trenchcoat, und am Ende kracht dann auch noch ein (echter) Hubschrauber gen Boden.

Dass der Film gemeinhin als einer der besten Schwedenkrimis überhaupt bezeichnet wird und dafür kaum bekannt ist, darf als eklatantes Missverständnis gewertet werden – das mit dem wunderbar offenen Ende nur noch mehr Fragezeichen aufwirft und die von Media Target veröffentlichte DVD, die wohl auf der exzellenten schwedischen Veröffentlichung basiert, zu einem echten Fundstück reifen lässt. Der Mann auf dem Dach hat tatsächlich überhaupt nichts mit der Frau im Garten zu tun und bietet alles, was man sich von einem großartigen Krimi wünschen kann.

Der Mann auf dem Dach

Zugegeben, der Titel ist nicht gerade ein Reißer: „Der Mann auf dem Dach“, das hört sich so spannend an wie „Die Frau im Garten“. Die aber wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen würde, dass sich hinter den nüchternen Worten ein exzellenter Polizeifilm verbirgt. Quasi ein Schwedenkrimi (TM), aus einer Zeit, als es dieses Wort noch gar nicht gab.
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