Von Killern gehetzt – Das Millionen-Duell

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Entscheidung in den Alpen

Unter dem Mantel der Filmgeschichte verstecken sich zahlreiche Produktionen, die angesichts ihrer Qualität eigentlich bekannter sein sollten. Frankreichs Genre-Spezialist Georges Lautner, der unter anderem einige der besten Belmondo-Filme inszenierte, hat aber so viel gedreht, dass es in seinem Werk noch etwas zu entdecken gibt. Von Killern gehetzt — Das Millionen-Duell gehört dazu.
Catherine (Mireille Darc) ist die Witwe des Gangsterbosses Lucky Pierrot (Frédéric de Pasquale), der von einer energisch um sich ballernden Abordnung der französischen Polizei ins Jenseits befördert wurde. Mit ihrem neugeborenen Baby zieht sie sich erstmal in eine Hilfseinrichtung für junge Mütter mit wenig finanziellen Mitteln zurück, um zur Ruhe zu kommen. Aber einige alte Bekannte haben etwas dagegen, dass Catherine in der Versenkung verschwindet. Sie glauben, dass Luckys Witwe das Versteck kennt, in dem ihr verstorbener Mann seine letzte Millionenbeute untergebracht hat. Als Catherine der Druck durch Luckys habgierige Spießgesellen zu groß wird, flüchtet sie zusammen mit ihrer neuen Freundin Marité (Anouk Ferjac) und zwei Babys in ein einsames Haus auf den Höhen der Alpen. Doch ein paar Handlanger der konkurrierenden Gangster sind den beiden Frauen auf den Fersen. Im Hochgebirge naht die Entscheidung. Glücklicherweise läuft Profikiller Jo (Henri Garcin) zu Catherine und Marité über, weil er glaubt, dadurch bessere Chancen auf ein Stück vom Millionenkuchen zu haben.

Bei Geld hört nicht nur die Freundschaft auf, viel entscheidender ist, dass die Habgier beginnt. Und damit setzt oft das rationale Denken aus, wenn die Triebe das Regiment übernehmen. Lautner erzählt in seinem schwungvollen Gangsterstück von der menschlichen Lust am schnellen Geld, die sich mit großer Energie ihre Bahn bricht. Selbst der Lebenserhaltungstrieb kann da nicht immer mithalten.

Nachdem Gangsterboss Albert Roza (André Pousse) erst zwei Frauen zu Catherine vorschickt, um Freundschaft zu heucheln, dann selbst die Rolle des väterlichen Beschützers mimt, um sich die Beute unter den Nagel zu reißen, zeigt er sein wahres Gesicht, als er auf Granit beißt. Wie sein größter Konkurrent Riton (Henri Cogan) schickt er einen Killer hinter den beiden Frauen her, der mit dem notwendigen Druck alles regeln soll. Später taucht er mit einer schwer bewaffneten Truppe selber auf, weil die Dinge aus dem Ruder laufen. Die ruhige Taktik des Anfangs weicht einer zunehmend rabiateren Gangart, weil die Verzweiflung der bösen Buben zunimmt.

Das gibt Lautner die Gelegenheit, mit Westernversatzstücken zu arbeiten, die das Konfrontationspotential prägnant zuspitzen. In der Nacht tauchen die Gangster um Roza mit ihren Autos vor dem burgartig rustikalen Landhaus auf, indem sich Catherine, Marité und der übergelaufene Jo verschanzt haben. Sie beleuchten die Szenerie mit dem gespenstischen Licht der Scheinwerfer. Währenddessen spielt einer der bewaffneten Verbrecher auf seiner Mundharmonika eine getragene Melodie, um psychologischen Druck auszuüben. Rozas Verweis auf die historische Belagerung der texanischen Festung Alamo, bei der ebenfalls mit Musik gearbeitet worden sein soll, betont nicht nur den Westernkontext, er greift auch die existenzielle Dramatik auf. Damals wie heute geht es um Leben und Tod. Dank der stilisierten Inszenierung rückt das Ringen mit dem eigenen Ende in den Vordergrund. Die melancholische Melodie im Dunkel der Nacht wirkt wie ein Bote aus dem Jenseits. Das Licht der Autos kommt in der Einöde irgendwo an seine Grenzen und scheint selbst zu sterben, wenn die Dunkelheit wieder beginnt.

Alle Figuren des Films müssen sich irgendwann entscheiden, ob sie das Leben oder den Tod wählen. Catherine und Marité haben stets beides vor Augen. Die versteckte Beute stachelt auch ihre Gier an, aber die beiden unschuldigen Babys offerieren symbolisch die Chance auf einen Neuanfang ohne Belastung. Der Weg ist nicht vorgezeichnet, das Schicksal lässt sich noch bestimmen.

Um die schwere Thematik über die Frage, ob der Mensch nur den Untergang oder auch das Glück wählen kann, nicht zu düster werden zu lassen, hat Lautner das wuchtige Gangsterdrama poppig inszeniert. Die bissigen Dialoge brechen das Geschehen auf amüsante Weise. Einem Polizisten, der Catherine fragt, ob sie nicht die Zeitungsmeldungen über ihren Fall gelesen habe, entgegnet sie nur, dass sie den Witz der Woche nicht lese. Zur permanenten Süffisanz der Gespräche gesellt sich der schrillende Wecker, der die Frauen alle drei Stunden daran erinnert, ihre Babys zu füttern. Damals ging das eben noch nach der Uhr, die keine Rücksicht darauf nimmt, ob gerade geschossen wird oder ob sonst etwas Unpassendes geschieht. Ausgewählt eingesetzte, bunte Farben oder lässige Posen sorgen zwischenzeitlich für eine luftige Atmosphäre, die mit der Dramatik verschmilzt. Sie sind zwei Seiten einer Medaille, die Lautner brillant auf den Punkt bringt.

Von Killern gehetzt – Das Millionen-Duell

Unter dem Mantel der Filmgeschichte verstecken sich zahlreiche Produktionen, die angesichts ihrer Qualität eigentlich bekannter sein sollten. Frankreichs Genre-Spezialist Georges Lautner, der unter anderem einige der besten Belmondo-Filme inszenierte, hat aber so viel gedreht, dass es in seinem Werk noch etwas zu entdecken gibt. „Von Killern gehetzt — Das Millionen-Duell“ gehört dazu.
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