Kiss of the Damned

Eine Filmkritik von Martin Beck

Entrückt schöne Frauen in edlen Gewändern

Twilight war so omnipräsent die letzten Jahre, dass man fast vergessen könnte, für was Vampire eigentlich stehen: Sex und Gewalt – besonders, wenn es sich um europäische Vampire der siebziger Jahre handelt. Jess Franco und Jean Rollin sind quasi die Vorbilder von Xan Cassavates, der Tochter von John Cassavates, die mit Kiss of the Damned eine Hommage an Filme wie Fascination oder Erotikill im Sinn hatte.
Das Schöne an einer Hommage ist ja, dass sie das hässliche Wort „Kopie“ vermeidet und die Übernahme bekannter Zutaten mit viel Liebe vollzieht. Wunderbare Kamerabilder (von Tobias Datum), ein groovender Easy-Listening-Score (von Steven Hufsteter), entrückt schöne Frauen in edlen Gewändern und viel Fleisch und Blut – alles sehr liebevoll nachgebaut, alles genauso wie „damals“.

Die Handlung von Kiss of the Damned dreht sich um Djuna (Josephine de La Baume), eine zurückgezogen lebende Vampirin, die Gedichte schreibt und eine Affäre mit dem Drehbuchautor Paolo (Milo Ventimiglia) beginnt. Paolo verwandelt sich auch in einen Vampir, doch das junge Glück wird schon bald von Mimi (Roxane Mesquida) gestört – Djunas Schwester, die ebenfalls lange Schneidezähne hat und ansonsten das schwarze Femme-Fatale-Schaf gibt.

Mit dem Auftauchen von Mimi gewinnt Kiss of the Damned gehörig an Fahrt. Die zuvor doch eher gemächliche Gangart (noch so eine Hommage…), die spätestens einsetzt, als das frische Vampirpaar ein erstaunlich bürgerliches Leben einschlägt, macht Platz für pulsierende Extreme, inklusive einem starken Konflikt zwischen den beiden Schwestern, und schließlich ein kurioses Ende. Statt Showdown und Katharsis ist es eher ein abrupter Zufall, der hier große Tragik bringt, aber natürlich – auch das gilt als liebevolle Hommage.

Als aktuelle Assoziation für Kiss of the Damned fällt Amer ein, der allerdings die Zitate wesentlich weiter überhöht. Beiden Filmen ist gemein, dass sie viel Wert auf Stil und nicht so viel Wert auf Inhalt legen, was hier wie dort die Handlung gehörig zerfasert und speziell hier das Verhalten der Protagonisten ziemlich fahrig gestaltet. Djuna und Paolo werfen sich in einer Videothek (!?) tiefe Blicke zu, gleich danach steht Sex an und ein paar Stöhner später ist schon die Rede von ewiger Liebe. Selbst für Vampire ist das verdammt schnell, die doch so wichtige Motivation der Anziehung fehlt leider.

Man fühlt sich bei Kiss of the Damned manchmal ein bisschen allein gelassen, in all der wirklich schönen Ausstattung, und wird auch mit den ziemlich gestelzt wirkenden Dialogen nicht so recht warm. Bei Rollin zum Beispiel war das ja ein Stilmittel, um dem Geschehen eine fantastische, abgehobene Aura zu verpassen, doch hier befinden wir uns in der Realität…und bräuchten eigentlich eine Inszenierung, die das mit der Hommage entweder so auf die Spitze treibt wie Amer oder halt den einzelnen gelungenen Elementen mehr verbindene Reflektion gestattet.

Kiss of the Damned bleibt aber auf jeden Fall sehenswert. So ein durchwachsener (Kino-)-Erstlingsfilm mit dem Herz am richtigen Genrefleck hat ja auch den Vorteil, dass man dem nächsten Werk dieser talentierten Regisseurin umso gespannter entgegenblicken kann.

Kiss of the Damned

„Twilight“ war so omnipräsent die letzten Jahre, dass man fast vergessen könnte, für was Vampire eigentlich stehen: Sex und Gewalt – besonders, wenn es sich um europäische Vampire der siebziger Jahre handelt. Jess Franco und Jean Rollin sind quasi die Vorbilder von Xan Cassavates, der Tochter von John Cassavates, die mit „Kiss of the Damned“ eine Hommage an Filme wie „Fascination“ oder „Erotikill“ im Sinn hatte.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen