Universal Soldier: Day of Reckoning (2012)

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Aufbruch zur Existenz

Wenn man nur die Teile mitzählt, in denen Jean-Claude Van Damme die Figur des Universal Soldier Luc Deveraux verkörpert, dann geht die Actionfilmreihe mit John Hyams‘ Universal Soldier: Day of Reckoning in die vierte Runde. Was bei Roland Emmerich als ordentlich budgetiertes Actionfeuerwerk begann, ist nun im Bereich des radikalen und brachialen Stilwillens angekommen.

Der Familienvater John (Scott Adkins) muss mit ansehen, wie seine Familie getötet wird, er selbst trägt bei dem Überfall durch maskierte Männer schwere Verletzungen davon. Nachdem er neun Monate später aus dem Koma erwacht, kann er sich erinnern, dass der Hauptverantwortliche für die Morde kurz nach der Tat seine Maske abgenommen hat. Auf den Fotos eines Regierungsbeamten, der ihn im Krankenhaus besucht, identifiziert John den Soldaten Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme), der Teil des Universal-Soldier-Programms ist. Dabei handelt es sich um technisch veränderte Menschen oder neu erschaffene Lebensformen, die über außerordentliche kämpferische Fähigkeiten verfügen, um Regierungsaufträge zu erfüllen. John macht sich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf die Suche nach Luc, an dem er sich rächen will. Dabei trifft er auf den gewalttätigen Magnus (Andrei Arlovski), der ihn in Klempnermontur immer wieder brutal angreift, die unbekannte Striptänzerin Sarah (Mariah Bonner) und zahlreiche Details aus einer Vergangenheit, an die er sich nicht erinnern kann. Die Reise zu Deveraux führt ihn in schmerzliche Gefilde hinein, die seine Existenz neu ordnen.

Regisseur John Hyams hätte es sich einfach machen und einen schlichten B-Actionfilm drehen können, der mit viel Krawall alleine die Bedürfnisse der Reihenfans befriedigt. Das war ihm aber zu wenig, und so hat er sich an die Arbeit gemacht, die notwendigen Actionsequenzen in ein gedankliches sowie stilistisches Geflecht einzubinden, das die Grenzen des Genres sprengt. Als Leitfaden der Erzählung fungiert einerseits Johns Suche nach der eigenen Identität und andererseits Deverauxs Plan, mithilfe einer eigenen Armee aus abtrünnigen Universal Soldiers die persönliche Freiheit wiederzuerlangen. Er will sich gegen die Regierung auflehnen, die sie als Sklaven erschaffen hat. Beide Linien fließen im Finale schließlich zusammen, wo es zum Aufeinanderprall kommt, der möglicherweise in einer Art Verschmelzung endet.

Auf der Suche nach Deveraux findet John immer mehr Dinge heraus, die sein bisheriges Selbstverständnis ins Wanken bringen. Die scheinbare Wahrheit über sein Wesen, seine Vergangenheit und seine Emotionen steht zunehmend auf tönernem Fundament. Ihm wird zweimal vollkommen der Boden unter den Füßen weggezogen. Das erste Mal, als seine Familie stirbt, und das zweite Mal, als er erkennt, dass er sich nicht sicher sein kann, ob das wirklich passiert ist.

Hyams führt die Brüche in Johns Seele bis an den Rand des Erträglichen. Unter anderem daraus speist sich die radikale Bildsprache, mit der er sein Werk immer wieder würzt. Aggressives Stroboskopflackern lässt die zermalmenden Kräfte erlebbar werden, die in den Köpfen der malträtierten Figuren wüten. Wo nichts mehr sicher ist, breitet sich ein verzehrendes Feuer aus, dessen Helligkeit mahlende Schmerzen verursacht. John ist ein verzweifelt Getriebener, der das Feuer besiegen will, um wieder Ruhe zu bekommen. Die Konsequenz aus seinem Kampf mit den stechenden Flammen sind Auseinandersetzungen jenseits jeglicher Menschlichkeit. Die Prügeleien auf Leben und Tod, die John mit seiner Nemesis Magnus führt, der ihn erst zum Glauben an Deveraux und als das nicht klappt ins Jenseits befördern soll, strahlen eine asoziale Härte aus. Sie speisen sich aus der unmenschlichen Manipulation, mit der die Universal Soldiers ihrer Identität beraubt oder als eindimensionale Kampfsklaven erschaffen wurden. Äxte, Baseballschläger oder sonstige Waffen malträtieren die Körper, deren offene Wunden wie Sinnbilder für ihre geschundenen Seelen wirken.

Der Kampf bringt John nicht nur der Erkenntnis über seine Identität, sondern auch Deveraux immer näher. Die Reise wird zu einem psychedelisch anmutenden Trip, hinter dessen sonderbaren Elementen ein neues Leben lauert. Eine Holzhütte am Fluss markiert den ersten Schritt, dem weitere folgen, wenn John von bewaffneten Soldaten zu einer Flussfahrt abgeholt wird und am Ende in dem verwinkelten Versteck Deverauxs landet. Hyams hat es dabei geschafft, Amerika ein wenig wie Vietnam aussehen zu lassen, sodass seine Reminiszenzen an Apocalypse Now problemlos funktionieren. Deveraux hat sich mit kahl rasiertem Schädel in den Dschungel zurückgezogen, um seine Rebellion gegen die US-Behörden vorzubereiten. Ihm geht es um die Freiheit aus der Versklavung, mit der er seine Würde zurückgewinnen will. Die isolierte Lage im Dschungel hat Deverauxs Geist jedoch so vernebelt, dass er sich im pseudophilosphischen Gedankengeflecht verheddert hat. Die Konfrontation von John und Deveraux hängt deswegen ganz existenziell mit den Fragen zusammen, was Identität und was Freiheit ist. Darauf findet Hyams auch keine letztendlichen Antworten, aber seine Art die Fragen zu stellen und mit den Mitteln des Actionfilms zu diskutieren, ist atemberaubend.

Das Bild der Bluray überzeugt mit einer hoch aufgelösten Schärfe, die nur wenig Wünsche offen lässt. Auch feine Details lassen sich gut erkennen, ohne dass Störungen auftreten. Die Farben wirken im Rahmen des ästhetischen Konzepts, das auf eine leichte Entsättigung bei einigen Szenen setzt, kräftig. Der ausgewogene Kontrast sorgt für eine gute Durchzeichnung auch bei dunklen Szenen.

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren nutzen in den Actionszenen das volle Potenzial aller Kanäle. Die zahlreich verteilten Geräusche sorgen dadurch für eine umfassend-räumliche Kulisse, die Spaß macht. Auch in den ruhigen Szenen gibt es immer wieder dezente akustische Effekte aus den hinteren Lautsprechern. Die Dialoge lassen sich gut verstehen, weil die dynamische Abmischung die Balance aus Wuchtigkeit und Dialogpräsenz wahrt.

Das Bonusmaterial besteht aus einem etwa 20-minütigen Zusammenschnitt mit Interviews, in denen Regisseur John Hyams sowie die Darsteller Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren und Scott Adkins zu Wort kommen, zwei Bildergalerien und dem Trailer zum Film. Bei den Interviews ist nur das Gespräch mit Hyams halbwegs interessant, weil er etwas über seine filmische Konzeption erzählt.

Universal Soldier: Day of Reckoning kreuzt die Mittel des Actionfilms mit stilistischen Extravaganzen, um Fragen nach dem Wesen der Identität und der Freiheit auf rabiat-brachiale Weise zu diskutieren.
 

Universal Soldier: Day of Reckoning (2012)

Wenn man nur die Teile mitzählt, in denen Jean-Claude Van Damme die Figur des Universal Soldier Luc Deveraux verkörpert, dann geht die Actionfilmreihe mit John Hyams‘ „Universal Soldier: Day of Reckoning“ in die vierte Runde. Was bei Roland Emmerich als ordentlich budgetiertes Actionfeuerwerk begann, ist nun im Bereich des radikalen und brachialen Stilwillens angekommen.

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