Briefe aus dem Jenseits

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Ein atmosphärisches Schauer-Melodram

Der Film aus dem Jahre 1947 basiert lose auf Die Aspern-Schriften von Henry James. Er ist weniger Film Noir als vielmehr ein melodramatisches Mysterium vor interessanter Kulisse. Langsam erzählt, lebt Briefe aus dem Jenseits von seiner immensen, an klassische Gruselfilme erinnernden Stimmung.
Lewis Venable (Robert Cummings) reist nach Venedig, um im Haus der 105-jährigen Juliana nach den Liebesbriefen eines verschwundenen Dichters zu suchen. Könnte er sie finden, wäre das ein literarischer Coup. Tina (Susan Hayward), die Nichte der alten Dame, misstraut ihm. Eines Nachts erlebt Venable, wie Tina in die Rolle ihrer Tante schlüpft und ihn selbst wie den Dichter Jeffrey Ashton behandelt. Ein Priester rät ihm, vorsichtig zu sein, was Tinas Phantasien betrifft, doch Venable will diese Briefe – koste es, was es wolle.

In Hinblick auf die Vorlage gab es einige Veränderungen – so manche eher schwer nachvollziehbar. In James‘ Geschichte ist der Poet, der die Liebesbriefe verfasste, Percy Shelley. Im Film wird eine gänzlich neue Figur ersonnen, ein amerikanischer Poet, der nach Venedig ging. Unterschiede gibt es auch bei Tina. Ihr literarisches Alter Ego ist eine unscheinbare, wenig attraktive Frau. Von Susan Hayward kann man das beim besten Willen nicht behaupten. Im direkten Vergleich schneidet Film schlechter ab, weil er ein Beispiel dafür ist, wie eine Geschichte „verdummt“ wird. Aber für sich betrachtet, ist Briefe aus dem Jenseits eine ansprechende Erzählung vor romantischer Kulisse.

Die einzige Regiearbeit von Charakterdarsteller Martin Gabel funktioniert auf zweierlei Ebenen. Er ist einerseits ein Mysterium, andererseits ein Verwirrspiel, das einer Obsession für Identitäten folgt. Die männliche Hauptfigur verschleiert ihre Identität, während Tina eine gänzlich andere annimmt, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Briefe aus dem Jenseits ist in jeder Hinsicht ein phantastischer Film. Das Set-Design ist prächtig. Die Kamera bewegt sich fast schwerelos durch das gotische Anwesen. Hauptdarstellerin Susan Hayward wirkt wie ein Engel aus einem Traum und liefert die mit Abstand beste Darstellung des Films ab, wenn sie von einer Persönlichkeit zur nächsten wechselt und dies durch ihre subtile Mimik illustriert. Die Universal-Pictures-Produktion ist ein eigenartiger Film, der verschiedene Genres streift, nur um sich dann im metaphysischen Finale festzulegen, dass nicht Wahn, sondern Supranaturalistisches die Protagonistin in ihren Bann gehalten hat.

Briefe aus dem Jenseits

Der Film aus dem Jahr 1947 basiert lose auf „Die Aspern-Schriften“ von Henry James. Er ist weniger Film Noir als vielmehr ein melodramatisches Mysterium vor interessanter Kulisse. Langsam erzählt, lebt „Briefe aus dem Jenseits“ von seiner immensen, an klassische Gruselfilme erinnernden Stimmung.
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