The Reluctant Fundamentalist - Tage des Zorns

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Krieg gegen die Ignoranz

„Ich sah, wie der amerikanische Patriotismus ein neues Gesicht bekam“, erzählt Changez dem Reporter Bobby. „Und es war hässlich“, fügt er nicht hinzu, aber die Bilder, die Mira Nair findet, sind beredter als alles, was der Professor aus Lahore sagen könnte. Der Regisseurin lag aber nicht daran, einen antiamerikanischen Film zu machen, so wie auch die Romanvorlage von Mohsin Hamid ein anderes Ziel verfolgt.
In Lahore ist ein amerikanischer Professor entführt worden. Die CIA glaubt, dass sein Kollege Changez (Riz Ahmed) weiß, wo der Mann gefangen gehalten wird. Reporter Bobby (Liev Schreiber) interviewt den Mann und versucht herauszubekommen, was Changez weiß. Aber Changez muss weit ausholen, damit Bobby seine Geschichte auch verstehen kann. Er erzählt davon, wie er als junger Mann in die USA kam, wie er bei einer angesehenen Firma arbeitete und Karriere machte und wie sich nach dem 11.9. alles änderte, wie er aufgrund seiner Hautfarbe und seiner Herkunft diskriminiert wurde und wie sich Amerika sehr zu seinem Nachteil verändert hat. Unklar ist jedoch, ob Changez wirklich radikalisiert worden ist. Sein Werdegang legt es nahe, aber Bobby ist nicht sicher. Ihm läuft jedoch die Zeit davon, es herauszufinden, da Lahore zu einem richtigen Pulverfass wird, das jeden Moment hochgehen kann.

Die Thrillerelemente in Nairs Film sind eher schwach ausgeprägt, seine Spannung bezieht der Film vor allem daraus, dass die Situation um den Reporter und den Professor immer dramatischer wird. Zudem lässt der Film bis zum Schluss offen, wie es um Changez bestellt ist. Changez, dieser vielsagende Name, der die mehrfache Veränderung im Wesen dieses Mannes vorwegzunehmen scheint, aber eben interpretierbar ist. Ob zum Guten oder zum Schlechten, wie Changez sich entwickelt hat, ist der Kern dieses Films, der in einer Szene besonders clever ist, als er aufzeigt, dass die Welt, aus der er kommt, und die, in der er nun lebt, kaum Unterschiede beinhalten. In gewisser Weise ist jeder ein Fundamentalist, die Analysten der großen Firmen ebenso wie die Terroristen der zweitgrößten Stadt Pakistans. Es geht immer nur um die fundamentalen Werte, um das Bewerten von Sachgütern oder Menschen, dem Kategorisieren, das es so leicht macht, Gruppen auszuschließen, ihnen Gesicht und Identität zu nehmen, wodurch das eigene Handeln leichter wird.

Die Nähe zwischen dem kapitalistischen Fundamentalismus, wie ihn Kiefer Sutherlands Figur lebt (und Changez ihn lange anstrebt) und dem religiösen Fundamentalismus des Mujahedin-Anführers in Lahore wird schön herausgearbeitet, ebenso wie die Extreme, in die die Sicherheitsapparate verfallen, die dadurch aber genau das heraufbeschwören, was sie zu verhindern suchen.

Zugleich ist The Reluctant Fundamentalist eine Bestandsaufnahme des Lebens nach dem 11.9, nach dem sich alles verändert hat. Ein Klima der Angst und Paranoia hat um sich gegriffen. Ob man es will oder nicht, es hat jeden verändert und zu einer schrillen Weltsicht geführt, in der jeder, der nicht mit uns ist, gegen uns ist. Und jeder, der anders aussieht, eine potenzielle Bedrohung ist. Es ist eine bittere Sicht der Welt, aber eine, die leider nur zu real ist. Es ist ein Teufelskreis, genährt aus Misstrauen, der sich kaum noch durchbrechen lässt, weil sich der Krieg gegen den Terror längst verselbstständigt hat und sich selbst befeuert. Wo ein Sicherheitsapparat für Sicherheit sorgen muss, muss er auch überall Bedrohungen erkennen. Das eine geht ohne das andere nicht. Gemäßigte Stimmen gehen im Krawall dieser unschönen, neuen Welt unter.

Auch Mira Nairs Film blieb weitestgehend unbeachtet. Vielleicht, weil er ein wenig sperrig ist, vor allem aber wohl, da sich nur wenige gerne den Spiegel vorhalten lassen – und das auf beiden Seiten des Spektrums. The Reluctant Fundamentalist bewirkt vielleicht nichts, weil Film, wie es der entführte Professor am Anfang erklärt, nicht die Macht dazu hat, aber er fordert den Zuschauer zumindest dazu auf, für sich selbst zu denken.

The Reluctant Fundamentalist - Tage des Zorns

„Ich sah, wie der amerikanische Patriotismus ein neues Gesicht bekam“, erzählt Changez dem Reporter Bobby. „Und es war hässlich“, fügt er nicht hinzu, aber die Bilder, die Mira Nair findet, sind beredter als alles, was der Professor aus Lahore sagen könnte. Der Regisseurin lag aber nicht daran, einen antiamerikanischen Film zu machen, so wie auch die Romanvorlage von Mohsin Hamid ein anderes Ziel verfolgt.
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