ID:A

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wer bin ich?

Im eiskalten Wasser eines Flusses im Süden Frankreichs erwacht eine Frau (Tuva Novotny, Jalla! Jalla!). Mit einem Seesack als einzigem Gepäck schleppt sie sich in ein Hotel im nächstgelegenen kleinen Ort. Dort entdeckt sie eine Narbe an ihrem Bauch, außerdem findet sie in dem Seesack sehr viel Geld, eine Waffe und das gezeichnete Porträt eines Mannes. Doch sie hat keine Erinnerung mehr an die Ereignisse, die sie dorthin geführt haben – und an ihre eigene Identität.
Der Beginn des dänischen Thrillers ID: A von Regisseur Christian E. Christiansen erinnert an die Bourne Identität mit verkehrten Geschlechterrollen: Eine Frau mit Gedächtnisverlust, die von zwei Männern in einem weißen Lieferwagen verfolgt wird. Ein netter, argloser Mann hilft ihr erst im Hotel, später bei der Flucht. Sie findet heraus, dass sie Dänin ist und Bilder von einem ermordeten niederländischen Politiker wecken in ihr eine dunkle Ahnung, dass sie darin verwickelt ist. Doch wie? Um ihrer Identität und Vergangenheit auf die Spur zu kommen, reist sie mit dem Bus von Montpellier nach Kopenhagen. Auf der Fahrt fühlt sie sich von einem Lied angesprochen und besucht daraufhin in Dänemark das Konzert des Sängers Just Ore (Flemming Enevold). Hier stellt sich heraus, dass sie seine Frau Ida ist. Dadurch kommt sie ihrer Vergangenheit näher, macht ihre Schwester ausfindig und erfährt, dass ihr Bruder und Ehemann politische Aktivisten in einer sozialistischen Vereinigung sind, die sich zunehmend radikalisierte.

Dieser erste Teil von ID:A ist dem Genre gemäß spannend, zumal Tuva Novotny als Hauptdarstellerin sehr überzeugend ist. Sie wirkt verletzlich, beweist aber trotz ihrer Zweifel und Ängste eine bemerkenswerte Stärke und Überlegtheit. Geschickt wird durch die Montage und Tuva Novotnys Spiel die Möglichkeit angedeutet, dass Ida eine Agentin oder Auftragskillerin sei. Dann verlässt das Drehbuch von Tine Krull Petersen durch eine überraschende Wendung jedoch die Thriller-Pfade. Dadurch verändert sich auch die Hauptfigur. Aus der vormals kühl und überlegt agierenden Ida wird zunehmend eine brave Ehefrau, die sich in der Fürsorge ihres Mannes offenbar wohlfühlt. Die Warnungen ihrer Schwester, ihr Mann sei ein singender Psychopath, ignoriert sie – wenngleich ihr weiterhin wichtige Erinnerungen fehlen. Als sie sie dann zurückgewinnt, scheint es fast zu spät. Der die zweite Hälfte des Films bestimmende Rückblick enthüllt, wer sie früher war. Hier übertreibt das Drehbuch mit der Verstrickung aller beteiligten Personen, die zunehmend willkürlich erscheint – zumal die Handlung auch deutliche Lücken aufweist.

Dass ID:A dennoch spannende Unterhaltung bietet, ist vor allem Tuva Novotny zu verdanken. Im Grunde genommen spielt sie in dem Film zwei verschiedene Frauen. Ohne ihre Erinnerung war Ida selbstbewusst, doch je mehr sie sich wieder in ihr altes Leben fügt, desto weiter entfernt sie sich von dieser Frau. Dadurch wirft der solide Genrefilm aus Dänemark auch die Frage auf, inwiefern unser gewohntes Umfeld unser Verhalten bestimmt – wenngleich man sich eine differenziertere, klischeefreie und selbstbewusstere Antwort gewünscht hätte.

ID:A

Im eiskalten Wasser eines Flusses im Süden Frankreichs erwacht eine Frau (Tuva Novotny, „Jalla! Jalla!“). Mit einem Seesack als einzigem Gepäck schleppt sie sich in ein Hotel im nächstgelegenen kleinen Ort. Dort entdeckt sie eine Narbe an ihrem Bauch, außerdem findet sie in dem Seesack sehr viel Geld, eine Waffe und das gezeichnete Porträt eines Mannes. Doch sie hat keine Erinnerung mehr an die Ereignisse, die sie dorthin geführt haben – und an ihre eigene Identität.
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