In Their Skin - Sie wollen dein Leben

Eine Filmkritik von Lida Bach

Eine schrecklich nette Familie

„Die perfekte Familie“ — so werden die Hughes in In Their Skin — Sie wollen dein Leben genannt — und das waren Mary (Selma Blair), ihr Ehemann Mark (Joshua Close) und ihr kleiner Sohn Brendon (Quinn Lord) auch — zumindest bis zum Autounfall von Brandons Schwester Tess. Sie sei „ein blonder Engel“, sagt der ältliche Verkäufer des Gemischtwarenladens über Marys und Marks Jüngste. Der Engel schaut nun vom Himmel auf seine Familie, die vor der traumatischen Erinnerung in ihr Ferienhaus aufs Land flieht. Dort kennt der Ladenbesitzer jede Familie; außer den Sakowskis. Das heißt, im Grunde kennt er Jane (Rachel Miner), Bobby (James D´Arcy) und ihren Sprössling Jared (Alex Ferris) doch. Denn die neuen Nachbarn ähneln den Hughes — etwas zu sehr, vielleicht…
Mark ist unnötigerweise ein wenig zu freundlich, genauso wie Bobby. Der bringt dem Nachbarn eine Ladung Feuerholz und obwohl es früh am Morgen ist, tut Mark so, als begrüße er Bobbys Auftauchen so sehr wie jener das seine. Das warme Willkommen wird zunehmend brenzlig, bis Mark sich daran in gewisser Weise die Finger verbrennt. Er öffnet die Tür und gewährt Einlass in seinen Privatraum, indem er zum Lunch einlädt. Die Einladung gilt nicht nur für Bobby, sondern auch für Jane und Jared. Und sie führt nicht nur in Marks Privatsphäre, sondern ebenso in die von Mary und Brendon. Jared ist genauso alt wie Brendon, Jane ist genauso brünett wie Mary und Bobby ist genauso groß wie Mark – und alle unterhalten sich genauso gezwungen. Die Höflichkeit gebietet, dass die Sakowskis Mary ihre Nervosität nachsehen und die Hughes Jane ihr Exzentrik, dass Bobby übermäßig Interesse am Leben der Hughes zeigt und Mark widerstrebend antwortet. Doch als Jared in einem Kinderstreit Brendon ein Messer an die Kehle hält, ist Schluss mit der Gemütlichkeit, die von Anfang an nur vorgetäuscht war.

Funny Games? Gewiss nicht. Mit Michael Hanekes bissigem Meisterwerk teilt Jeremy Power Regimbals Spielfilmdebüt nur die Prämisse einer wohlhabenden Familie, die in ihrem Zuhause von fremden Gästen bedrängt wird. Die fahle, entsättigte Farbpalette und das gedämpfte Licht lassen In Their Skin visuell selbst wie eine Kopie wirken. Doch das Doppelgänger-Szenario ist hintersinniger als ein reiner Abklatsch. Mehr als an Hanekes verstörende Satire erinnert der Psychothriller an Klassiker des Home-Invasion-Genres wie The Last House on the Left. Die physische und soziologische Radikalität von Wes Cravens Kultfilm scheut der Regisseur allerdings. Wohlstandsneid ist das zentrale Motiv beider Filme, doch während Craven ihn zu drastischer (beiderseitiger) Gewalt zuspitzt, zeigt Regimbal ihn als nagende Eifersucht. Die Sakowskis kommen nicht, um die Hughes zu terrorisieren, sondern um von ihnen zu lernen: die kleinen Gesten und Eigenheiten, die sich erst in persönlichem Kontakt erkennen lassen, und die sie einstudieren müssen, um zur vollkommenen Kopie ihrer verhassten Vorbilder zu werden.

Das Essen, bei dem die Besucher die Verhaltensweisen der Gastgeber nachahmen, unterstreicht, was der Titel anspricht. Die Nachbarfamilie will buchstäblich in die Haut der Hausbewohner; in deren Zuhause, mit deren Identität. In Their Skin zeigt eine Extremform des Klassenkampfes, in dem es die Unterschicht neben den Gütern auf die Persönlichkeit der Oberschicht abgesehen hat. Wie in Invasion of the Body Snatchers müssen die Originale sterben, wenn die Kopie vollendet ist. Noch erschreckender als der Hass der psychopathischen Sippe auf andere ist dabei ihr Hass auf sich selbst. Wie brüchig das Ideal ist, das sie mit aller Gewalt anstreben, verkennen sie. Psychisch überanstrengt durch den Verlust der Tochter, wirken die Hughes schroff und selbstbezogen. Eine sorgsam versteckte Eigenschaft teilen sie mit ihren Gästen: Sie fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Und anders als die Sakowskis wissen sie keinen Weg aus ihr heraus.

In Their Skin - Sie wollen dein Leben

„Die perfekte Familie“ — so werden die Hughes in „In Their Skin — Sie wollen dein Leben“ genannt. Und das waren Mary (Selma Blair), ihr Ehemann Mark (Joshua Close) und ihr kleiner Sohn Brendon (Quinn Lord) auch — zumindest bis zum Autounfall von Brandons Schwester Tess. Sie sei „ein blonder Engel“, sagt der ältliche Verkäufer des Gemischtwarenladens über Marys und Marks Jüngste.
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