The Good Doctor

Eine Filmkritik von Lida Bach

Gefährliche Doktorspiele

Martin Blake ist ein Gott in weiß. Noch ist es nur das Weiß der kahlen Räume, die der ehrgeizige Student (Orlando Bloom) bewohnt, des Weins, den er allein dort trinkt und seines Arbeitskittels, bald jedoch das seines bevorzugten Umfelds. Letzteres ist das Krankenhaus, in dem der junge Mediziner die Rolle spielt, die Lance Daly zum sarkastischen Titel seines Arzt-Thrillers The Good Doctor wählt. Ihm öffnet der Behandlungserfolg bei der 18-jährigen Patientin Diane (Riley Keough) die Tür zu derem elterlichen Heim und einer medizinischen Karriere. Sie verfolgt Dr. Blake mit allen Mitteln; auch solchen aus dem Medikamentenschrank, die Dianes Zustand wieder verschlechtern.
Der schauspielerische Ballast einer zähen Folge von Parts seichter Schönlinge und glatter Helden gewichtet Lance Dalys narkotisches Drama zugunsten Orlando Blooms, dessen Charakter durch die unbewusste um ihn konstruierte Hintergrundfolie mehr Schwere erhält, als in dessen tönernen Hülle liegt. Unterschwellig macht der Zuschauer den Hauptdarsteller zur Folie eines eigenen Idealbilds, in gleicher Art wie die Angehörigen von Blakes Patienten. Das aseptische Weiß des Krankenhauses wird zum Blue-Screen für die Bedürfnisse seiner Besucher nach Genesung und Geborgenheit, genauso wie für deren Ängste vor Gleichgültigkeit und Isolation. Der Behandlungsraum als psychologischer Projektionsraum ist das soziale Spiegelbild der privaten Projektionsfläche Blakes in dessen klinischer Wohnung. In noch höherem Maße als die durch Fotos, Blumen und Geschenke individualisierten Krankenzimmer erscheint sie unpersönlich.

Blakes Heim ist kein noch nicht gestaltetes Umfeld, sondern ein gezielt neutral gehaltener Aufenthaltsort als Übergangsort. Letzteres ist das Krankenhaus auf vielerlei Ebenen, deren inhärente Widersprüchlichkeit auf subtile Weise faszinierender ist als die des Titelcharakters. Die Funktionalität seiner Arbeitsstätte als Passage zwischen physischen, psychischen und existentiellen Zuständen drängt sich durch die Behandlung Dianes mit einem Schlag in sein Bewusstsein. Wie lange die Ahnung schon in Blakes Innerem wuchert deutet seine Systematik in der Umsetzung des zur Erkenntnis gereiften Fühlens an. Im Zwischenreich von Gesundheit und Krankheit, das die Krankenhauswände eingrenzen, ist Dr. Blake ein Wegbereiter zur Heilung, der die Freundlichkeit von Dianes Verwandten gierig aufnimmt. Die Dankbarkeit bestätigt ihn in den Führungsqualitäten, die er von Schwester Theresa (Taraji P. Henson) und dem Pfleger Jimmy (Michael Peña) verkannt wähnt.

„Respekt.“ Mit seiner Antwort darauf, was er in seiner Arbeit suche, liefert Blake den Schlüssel zu der seelischen Dunkelkammer hinter der Fassade des nach außen hin durch seine Attraktivität und vermeintliche Bescheidenheit zur Vertrauensperson prädestinierten Arztes. Letzter ist genaugenommen ein nach Kalifornien umgesiedelter Medizinstudent, der sich mit ungelenker Beflissenheit seinem Vorgesetzten Dr. Waylans (Rob Morrow) präsentiert und nach der Frage nach seiner beruflichen Motivation korrigiert. „Um Menschen zu helfen.“ — So lautet die konforme Erwiderung auf die Frage, deren Beantwortung indirekt neue Fragen aufwirft. Sie gelten weniger der moralischen Haltung Blakes, dessen aufgeblasene Scheinzweifel an der eigenen Taktik nur weiterer Beweis seiner Ichbezogenheit sind, als seiner Geistesgegenwart.

Die Trennlinie zwischen seelischer Verwirrung und selbstsüchtiger Skrupellosigkeit belässt John Enboms unentschlossenes Skript so unscharf wie die psychologisch reizvolle, niemals jedoch befriedigende Inszenierung. Deren mehrdeutiger Titel reflektiert die moralische und gesetzliche Ambiguität des gesellschaftlichen Konstrukts, das sich Blake zunutze macht, demaskierender und ironischer als die brüchige Handlung vermag.

The Good Doctor

Martin Blake ist ein Gott in weiß. Noch ist es nur das Weiß der kahlen Räume, die der ehrgeizige Student (Orlando Bloom) bewohnt, des Weins, den er allein dort trinkt und seines Arbeitskittels, bald jedoch das seines bevorzugten Umfelds. Letzteres ist das Krankenhaus, in dem der junge Mediziner die Rolle spielt, die Lance Daly zum sarkastischen Titel seines Arzt-Thrillers „The Good Doctor“ wählt.
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