Malina

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Es war Mord

Dass leichtgängige, gefällige Ausdrucksformen und Stoffe absolut nicht sein Metier sind, hat der ungezähmte Regisseur Werner Schroeter (1945-2010) zeitlebens mit seinen extravaganten Inszenierungen von Opern, Theaterstücken und Filmen nur allzu deutlich betont. Innerhalb der deutschen Filmlandschaften stellte er mit seinen innovativen, experimentellen Impulsen ein radikales Ausnahmetalent dar, dessen Gesamtwerk 2008 mit dem Goldenen Löwen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig geehrt wurde. Für Malina, die Verfilmung des gleichnamigen Romans der Lyrikerin, Philosophin und Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) aus dem Jahre 1990, hat Werner Schroeter mit Elfriede Jelinek als Drehbuchautorin zusammengearbeitet, und dabei herausgekommen ist ein gleichermaßen intensiver, drastischer und verstörender Film, der mit einer geradezu erschreckend authentisch erscheinenden Isabelle Huppert als verfallende, letztlich verlorene Frauenseele auf gelungene Weise einige atmosphärisch dichte Aspekte des literarischen Werks einzufangen vermag, das von seiner Autorin als „imaginäre Autobiographie“ bezeichnet wurde.
Ein Name wird ihr nicht gegeben, dieser bei Zeiten unruhig und fahrig, dann wieder konzentriert wirkenden Schriftstellerin (Isabelle Huppert), die in der Ungargasse in Wien lebt. Zwei höchst unterschiedliche Männer sind es, die durch ihre Gedanken und durch ihre Lebenswelt vagabundieren: Einerseits der nüchterne, beherrschte und beherrschende Malina (Mathieu Carrière), andererseits der leidenschaftliche Ivan (Can Togay), mit dem sie eine sinnliche Liebe verbindet. Anfangs erleben wir sie noch kompetent bei Vorträgen und beim Schreiben, doch so stetig wie unwiderruflich öffnen sich die traumatischen, peinigenden Abgründe einer Frau, deren Alltag sich allmählich in einer gewaltigen Konfusion verfängt, die von grauenhaften Alpträumen flankiert wird …

Einen so komplexen wie komplizierten literarischen Stoff zu verfilmen, der aus derart unterschiedlichen Dimensionen der gemeinhin als Wirklichkeit bezeichneten Sphäre besteht, stellt zweifellos eine waghalsige Herausforderung dar, die mit Malina allerdings auf hohem Niveau geglückt ist. Die Kamera von Elfi Mikesch, die dafür mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet wurde, bannt die Visualisierung der existenziellen Konflikte der tragischen Heldin auf bewegende Weise in dynamische Bilder der Zerfaserung und des Zerfalls. Isabelle Huppert wurde für ihre schonungslose Verkörperung der in den Wahn abgleitenden Schriftstellerin mit dem Deutschen Filmpreis in Gold prämiert, ebenso wie die Beste Regie von Werner Schroeter, der Beste Schnitt von Juliane Lorenz und Malina als Bester Film. Dass diese filmische Interpretation des Bachmann-Romans lediglich – sehr trefflich – ausgewählte Komponenten desselben repräsentieren kann, ist gleichermaßen offensichtlich wie verzeihlich. Doch die bedeutsamen Metaphern und Symbole von Einsamkeit, Weltflucht, Verbrennung und Tod der selbstzerstörerischen Entwicklung erscheinen hier als packende, intensiv gestaltete Sequenzen, die die Qual der zerrissenen Frauen-Figur in ihrem folgenschweren Ausmaß präzise und bewegend abbilden. Mit den Worten „Es war Mord.“ endet der Film ebenso wie der Roman von 1971, der nach der Sichtung von Malina erneut zum Lesen verführt.

Malina

Dass leichtgängige, gefällige Ausdrucksformen und Stoffe absolut nicht sein Metier sind, hat der ungezähmte Regisseur Werner Schroeter (1945-2010) zeitlebens mit seinen extravaganten Inszenierungen von Opern, Theaterstücken und Filmen nur allzu deutlich betont.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen