Die Abbas Kiarostami Edition

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Werkschau eines iranischen Meisterregisseurs

Es sind wahrlich keine geringen Fürsprecher, die dieser Regisseur hinter sich weiß. Jean-Luc Godard sagte einst über den 1940 in Teheran geborenen und seit vielen Jahren im französischen Exil lebenden Abbas Kiarostami: „Der Film beginnt mit D. W. Griffith und endet mit Abbas Kiarostami.“ Und Martin Scorsese bezeichnete ihn als „Repräsentanten des höchsten künstlerischen Niveaus im Kino“. Ein weiterer seiner Bewunderer ist übrigens der bekennende Cinephile Quentin Tarantino, was den Chor seiner Bewunderer noch mal um eine schillernde Nuance ergänzt. Kann man als Regisseur mehr erreichen als so viel Lob von verschiedenen Seiten? Wohl kaum.
Sein letztes Werk Die Liebesfälscher / Copie conforme mit der bezaubernden Juliette Binoche war einer der schönsten Filme des vergangenen Kinojahres, nun, zeitgleich mit der normalen DVD-Veröffentlichung des Films auf DVD bringt Alamode eine Abbas Kiarostami Edition auf den Markt, die die wichtigsten Filme des Regisseurs einem breiten Publikum zugänglich macht. Neben der bereits erwähnten hintersinnig-leichten Liebeskomödie unter toskanischer Sonne enthält die Box drei weitere Werke, die allesamt trotz des Exils des Regisseurs im Iran entstanden. Es ist eine hervorragende Gelegenheit, einen wahrhaftigen Meisterregisseur zu entdecken, der bislang einem breiten Publikum noch nicht ausreichend bekannt ist. Und gerade anhand der ausgewählten Filme kann man Kiarostamis schöpferische Entwicklung und die enorme Bandbreite seines Schaffens bestens verfolgen.

Den Auftakt der Edition bildet Kiarostamis Der Geschmack der Kirsche / Ta’m e guilass aus dem Jahre 1997, der bei den Filmfestspielen von Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde (allerdings musste sich Kiarostami die Auszeichnung mit Shohei Imamura teilen). In diesem Film erzählt der Filmemacher von Herrn Badii (Homayoun Ershadi), der seinem Leben ein Ende setzen will. Doch weil dieser verzweifelte Mann auch an das Danach denkt, muss er jemanden finden, der ihn nach vollbrachter Tat in dem bereits vorbereiteten Grab verscharrt. Die Suche nach einem willigen Gehilfen gerät immer mehr zur Odyssee, denn selbstverständlich reagieren die Menschen, denen Herr Badii von seinem Wunsch erzählt, nicht gerade erfreut.

Bereits zwei Jahre später, im Jahre 1999, ist der nächste Film aus der Werkschau, Der Wind wird uns tragen / Bad ma-ra khahad bord entstanden. Und auch hier geht es wieder um ein geplantes Begräbnis, bei dem einiges schief geht. In einem Dorf im Norden des Iran soll allem Anschein nach eine alte Frau im Sterben liegen. Bald schon finden sich drei Fremde aus der Stadt ein, die das kurdische Begräbnisritual filmen wollen. Dann aber stellen die Besucher fest, dass die alte Dame keineswegs zu sterben gedenkt, worauf zwei von ihnen frustriert wieder abreisen, während der dritte, den alle nur „Ingenieur“ nennen, einfach in dem Dorf bleibt – bis auch er eines Tages wieder verschwindet.

Weniger improvisiert und offen erscheint im Vergleich dazu Ten aus dem Jahre 2002, der eine Taxifahrerin in Teheran bei ihrer alltäglichen Arbeit begleitet. Typisch ist aber auch für diesen Film, wie elegant und beiläufig Kiarostami Dokumentarisches und Fiktionales miteinander verknüpft, wie Realität und Erfundenes sich miteinander verbinden.

Dies verbindet in gewisser Weise auch den letzten Film der Edition mit den anderen enthaltenen Werken: Denn auch in Die Liebesfälscher, dem ersten Film, den Kiarostami nicht im Iran, sondern in der Toskana drehte, geht es um die Frage, was denn wahr sei und was falsch – hier allerdings hat der Topos, der zuvor vor allem formaler Natur war, Einzug gehalten in die Geschichte selbst. Aus der zufälligen Begegnung eines Mannes und einer Frau wird ein Spiel mit ernstem Hintergrund: Für die Dauer eines Ausfluges tun die beiden so, als seien sie schon seit langem ein Paar. Und das ist durchaus nicht nur von Vorteil für beide Seiten. Denn die gespielte Beziehung ist wie eine echte auch voller Spannungen und Brüche.

Wer bislang Abbas Kiarostami nur bei seinem letzten Film begegnet ist und wem dieser gefallen hat, dem sei dringend zum Erwerb der Edition geraten. Denn obgleich die drei anderen Filme allein schon durch den Handlungsort Iran und durch die eher unbekannten Darsteller ganz anders ausschauen – sie sind nicht weniger faszinierend als Die Liebesfälscher.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber doch: Ohne Booklet und fast ohne Extras (eine Ausnahme bildet hier Die Liebesfälscher) ist die Edition recht schmal ausgestattet – Abbas Kiarostami hätte sicher eine etwas ausführlichere Würdigung verdient gehabt.

Die Abbas Kiarostami Edition

Es sind wahrlich keine geringen Fürsprecher, die dieser Regisseur hinter sich weiß. Jean-Luc Godard sagte einst über den 1940 in Teheran geborenen und seit vielen Jahren im französischen Exil lebenden Abbas Kiarostami: „Der Film beginnt mit D. W. Griffith und endet mit Abbas Kiarostami.“ Und Martin Scorsese bezeichnete ihn als „Repräsentanten des höchsten künstlerischen Niveaus im Kino“.
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