A Hole in My Heart

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Bestie Mensch

„Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren…“ Wenn es jemals einen Film gegeben hat, zu dem die Worte Dantes (Die Göttliche Komödie, Inferno III, 9 (Das Höllentor)) perfekt gepasst haben, dann zählt Lukas Moodyssons A Hole in My Heart / Ett hål i mitt hjärta sicherlich zu den ernsthaften Kandidaten – neben den üblichen Verdächtigen Gaspar Noé, Larry Clarke und Harmony Korine. Der 2004 entstandene Film, bei dem sich nicht nur die Kritik, sondern auch das Publikum in erbitterte Gegner und verstörte Befürworter aufteilte, ist ein beinhartes Experiment in Sachen Nihilismus, das man einerseits mal gesehen haben sollte, das man sich aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit kein zweites Mal zu Gemüte führen wird. Nun ist der umstrittene Film in der Reihe Kino Kontrovers neu auf DVD erschienen – und kaum ein Label passt besser zu dem Werk als dieses zwischen Genie, Wahnsinn und purer Tristesse oszillierende, delirierende, zuckende Etwas voller Blut, Schweiß, Tränen und Sperma.
Mit dokumentarisch anmutenden DV-Bildern führt uns der Film vier Menschen vor, die im Gefängnis ihrer Leere und Ziellosigkeit aneinander gekettet sind: Richard (Thorsten Flinck) ist Witwer und haust gemeinsam mit seinem Sohn Eric (Björn Almroth) in einer kleinen, versifften und zugemüllten Wohnung in einem häßlichen Plattenbau. Während sich Eric fast ausschließlich in seinem Zimmer aufhält und sich mittels seiner Noisecore-Musik und der Würmerzucht von der Außenwelt abschottet, ist Richard fast nie allein. Gemeinsam mit seinem Kumpel Geko (Goran Marjanovic) schlägt er die Zeit mit Videospielen und endlosem Gejammer über ihre missliche Lage tot. Ebenfalls mit von der Partie ist die 21-jährige Tess (Sanna Bråding), die immerhin noch Ziele im Leben hat – wenngleich ihres darin besteht, einmal als Pornostar groß rauszukommen. Um der eigenen Leere Herr zu werden, verlustieren sich die drei als folgerichtig dabei, einen dilettantischen Hardcore-Film nach dem anderen zu drehen und sich gegenseitig ohne jede Hemmungen zu ficken und zu demütigen. Besonders Geko kennt dabei keinerlei Grenzen und so lässt er seiner Abneigung gegen Tess (und vermutlich gegen alle Frauen auf der Welt) freien Lauf. Bis diese eines Tages genug hat und aus der Wohnung flieht. Doch schon wenige Zeit später steht sie wieder vor der Tür – wo soll sie auch anders hin?

94 Minuten pure Hoffnungslosigkeit und Widerwärtigkeit – A Hole in My Heart ist definitiv weder etwas für zartbesaitete Zuschauer noch für solche, die von einem Film eine klare Plotstruktur und eine charakterliche Entwicklung erwarten – es sei denn, man wertet die zunehmende Eskalation und das immer deutlicher werdende Elend aller Protagonisten als „Entwicklung“.

Immer wieder reißt Moodysson in seinem Film einzelne Szenen aus dem eigentlichen Kontext und fügt sie scheinbar zusammenhangslos an anderer Stelle wieder ein. Auf diese Weise entsteht ein verstörender, manchmal aller Obszönität zum Trotz etwas langatmiger Flickenteppich, der mitunter ebenso sprunghaft, leer und unberechenbar wirkt wie die vier Menschen, deren Schicksal auf so grausame Weise aneinander gekettet ist. Hoffnung gibt es hier nahezu keine, lediglich für kurze Momente blitzt hin und wieder mal ein kleiner Augenblick der Schönheit oder Ruhe auf, der aber binnen eines Wimpernschlags wieder in Grausamkeit und blanken Nihilismus umschlägt.

Ist dieser Film nun – wie nicht wenige Kritiker schreiben – eine künstlerische Bankrotterklärung oder vielmehr die schonungslos auf die Spitze getriebene Verdichtung eines verpfuschten Lebens, das mitten in unserer Gesellschaft immer wieder stattfindet, ohne dass wir dem so nahe kommen wie hier? Und will man das überhaupt so sehen, in dieser Deutlichkeit und in all seiner Häßlichkeit und Hoffnungslosigkeit? Diese Fragen muss sich wohl jeder Filminteressierte selbst beantworten, bevor er sich A Hole in My Heart anschaut. Es soll ja keiner sagen, er wäre nicht gewarnt worden…

A Hole in My Heart

„Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren…“ Wenn es jemals einen Film gegeben hat, zu dem die Worte Dantes (Die Göttliche Komödie, Inferno III, 9 (Das Höllentor)) perfekt gepasst haben, dann zählt Lukas Moodyssons „A Hole in My Heart“ / „Ett hål i mitt hjärta“ sicherlich zu den ernsthaften Kandidaten – neben den üblichen Verdächtigen Gaspar Noé, Larry Clarke und Harmony Korine.
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