The Flowers of War

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt

Die Vergewaltigung von Nanking, wie Schriftstellerin Iris Chang das Massaker des Jahres 1937 an der Zivilbevölkerung der chinesischen Hauptstadt nannte, bildet den Hintergrund von Zhang Yimous Film. Für den Regisseur war dieser Hintergrund jedoch weit weniger wichtig als ein Thema, mit dem sein Film durchdrungen ist: Die menschliche Natur und wie sie sich in ihren strahlendsten und dunkelsten Momenten offenbart.
Der Bestatter John Miller (Christian Bale) erreicht während der japanischen Invasion von Nanking im Jahr 1937 die Winchester Cathedral, wo er auf verängstigte Mädchen trifft. Anfangs kümmert er sich nur um sich selbst, nimmt dann jedoch die Rolle des Priesters an und erkennt, dass er nicht untätig bleiben kann. Er versucht, die Mädchen vor Übergriffen japanischer Soldaten zu schützen, doch es ist klar, dass dies nur ein Spiel auf Zeit sein kann, wenn er keinen Weg findet, die Mädchen aus Nanking herauszuschaffen.

Dem Film wurde mitunter vorgeworfen, er nutze einen Weißen, um eine zutiefst chinesische Geschichte zu erzählen. Zwar besitzt Bales Figur eine konventionelle Heldenreise, der auch Raum zur Entfaltung eingeräumt wird, aber The Flowers of War ist, wie es der Titel schon andeutet, die Geschichte von Mädchen und Frauen, Klosterschülerinnen auf der einen, Prostituierten auf der anderen Seite. Sie basiert nicht direkt auf einem realen Vorbild, aber die Rettung chinesischer Bürger vor den japanischen Aggressoren durch westliche Ausländer ist verbürgt, hierzulande wohl am Ehesten durch John Rabe bekannt.

Zhang Yimous Film funktioniert vor allem aus der chinesischen Warte, versucht jedoch, Objektivität zu wahren. Er zeigt unbeschreibliche Gräuel, die von japanischen Soldaten begangen werden, aber Taten wie diese sind verbürgt. Sie sind nicht der Versuch, den ehemaligen Feind in besonders schlechten Farben zu zeichnen. Das verhindert The Flowers of War schon durch den japanischen Kommandanten Hasegawa, einen kultivierten, ehrenhaften Mann, der aber letztlich gegen die Befehle seines Oberkommandierenden nicht aufbegehren kann.

Eine der Stärken des Films ist, dass am Ende vieles offen bleibt. Es ist ein Happy End – und dann auch wieder nicht, denn die List, die hier angewandt wird, um die Japaner zu täuschen, fordert einen hohen Preis. Dass sich der Film einer definitiven Antwort verweigert, lässt ihn umso wirkungsvoller werden. Noch lange nach Ende des Nachspanns ertappt man sich dabei, sich zu fragen, was geschehen sein mag. Man könnte sich für die schöne Version entscheiden, das, was die junge Hauptfigur Shu sich ausmalt, aber letzten Endes ist aufgrund der historischen Komponente und dem, was man gerade gesehen hat, klar, was passiert sein muss.

The Flowers of War ist ein kraftvoller, emotional packender Film, der Zeugnis davon ablegt, wie der menschliche Geist sich in Kriegszeiten entfalten kann. Das Potenzial zum Helden oder Verbrecher trägt ein jeder in sich, es ist die bewusste Entscheidung, in welche Richtung das Pendel schlagen soll, die definiert, wer man ist. Ein inspirierendes, menschliches Drama, das Heldenmut dort findet, wo man es am wenigsten erwartet.

The Flowers of War

Die Vergewaltigung von Nanking, wie Schriftstellerin Iris Chang das Massaker des Jahres 1937 an der Zivilbevölkerung der chinesischen Hauptstadt nannte, bildet den Hintergrund von Zhang Yimous Film. Für den Regisseur war dieser Hintergrund jedoch weit weniger wichtig als ein Thema, mit dem sein Film durchdrungen ist: Die menschliche Natur und wie sie sich in ihren strahlendsten und dunkelsten Momenten offenbart.
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