Detention

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Breakfast Club für die postmoderne Popgegenwart

Zugegeben, Highschool-Filme sind ja nichts eigentlich neues mehr, und auch das Subsubgenre der selbstironischen Highschoolkomödie hält, sollte man meinen, keine allzu großen Überraschungen mehr bereit. Und dann kommt Detention von Joseph Kahn daher, der diese Kategorie nicht nur mit neuem Leben versieht, sondern gezielt und mit Verve sprengt, ein Feuerwerk der popkulturellen Selbstreferenz, ein Metafilm par excellence, und ein Monstrum von Film, dessen Handlung schon dreimal leichtfüßig die Richtung gewechselt hat, bevor man so richtig verstanden hat, worum es vorher ging.
Auch wenn Clapton Davis (Josh Hutcherson) kein Football-Star an seiner Highschool ist, ist er doch einer der begehrtesten Jungs in der Abschlussklasse. Cheerleader Ione (Spencer Locke) jedenfalls hat ihn sich unter den Nagel gerissen, sehr zum Ärger der ebenfalls in Clapton verliebten Riley (Shanley Caswell), die alles ist, was man sein muss, um an einer amerikanischen Schule (zumindest im Film) zur Außenseiterin zu werden: intelligent, Vegetarierin, ironisch. Ihr emotionaler Tiefpunkt fällt allerdings mit der ersten Attacke eines Mörders zusammen, der in Gestalt der Filmfigur „Cinderhella“ Schülerinnen umzubringen beginnt – und dann auch Riley nachstellt.

Wer aber zu diesem Zeitpunkt glaubt, Kahn gehe bei seinem Drehbuchdebüt (und zweiten Spielfilm nach dem Desaster Torque von 2004) den Weg allzu vieler Horrorkomödien, der wird sich über den Auftrag des Physiklehrers an seine Schüler wundern, ihm eine Zeitmaschine zu bauen „so I can get out of here.“ Im Schulmaskottchen, einem riesigen, ausgestopften Bären, finden sich supraleitende Hightech-Komponenten, und warum, bitteschön, steht Clapton Davis auf die intellektuell nicht eben brillierende Ione? Ach, sagt er, „Ione’s an old soul trapped in a very painfully hot cheerleader body.“ Er weiß nur nicht, wie recht er damit hat.

Detention lebt von einer Handlungsentwicklung, die so assoziativ ist wie die Redeweise und Argumentationsstrukturen seiner Protagonisten. Gerade wenn du denkst, es wird schon irgendwie zusammenpassen so, dann kommt etwas, was gar nicht passt – aber das ist ja nichts, was sich durch einen ironischen Einwurf nicht beheben ließe. So wird aus dem Film der wahrscheinlich am wenigsten vorhersehbare Streifen des Jahrzehnts, Highschoolkomödie. Horrorfilm und Scifi-Drama zugleich (und womöglich noch mehr) – Detention steht zwischen den Genres und zeigt ihnen einen sehr bunten Stinkefinger.

Kahn, der im Oktober 2012 vierzig Jahre alt wird, hat bisher vor allem Videoclips und kurze Dokumentation gedreht: Das ist die Vita von jemandem, dessen eigene Jugend in den späten 1980ern, frühen 1990ern liegt, der aber zugleich knietief in der Popkultur der Gegenwart watet. In seinem Film lässt er beides gegeneinander oszillieren. Die jugendlichen Protagonisten beziehen sich permanent auf die 1990er als Referenzpunkt ihrer eigenen popkulturellen Selbstvergewisserung – damit beleuchten sie kontinuierlich ihre eigene Gegenwärtigkeit (und Präsenz und Wissen über die Gegenwartspopkultur ist hier natürlich wichtig für die soziale Position in der Hackordnung der Highschool) und betonen zugleich die Vergänglichkeit aller Populärkultur, die aus dem Moment und für den Moment gemacht ist.

In einer Montagesequenz später im Film, der Moden und Geschmäcker im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte vorbeiziehen lässt und genau deshalb, in stereotyper Überzeichnung, wie eine Reise durch die Geschichte des Highschoolfilms wirkt, wird das besonders deutlich. Denn mit dieser Reihung macht sich Detention natürlich darüber lustig, wie schnell die Filme dieses Genres lächerlich wirken können in der unbedingten Hingabe an aktuelle Trends und Vorlieben – und zugleich ist der ganze Film eben nicht nur eine Parodie, sondern vor allem eine Hommage an die Qualitäten, die sich unter diesen Oberflächen verbergen. Nicht umsonst entwickelt sich der große Showdown des Films aus einem von ganz unterschiedlichen Schülern abgesessenen Nachsitzen, der titelgebenden Detention: das war, in der gemeinsamen Front der Schüler gegen einen oder mehrere Lehrer, schon immer der große Schmelztiegel der unterschiedlichen Highschool-Typen – John Hughes‘ Breakfast Club war das große Loblied darauf, und Kahn schreibt diese Geschichte für die post-postmoderne Jugend fort, die aus der Vergangenheit den Reichtum ihrer Gegenwart schöpfen will.

Detention

Zugegeben, Highschool-Filme sind ja nichts eigentlich neues mehr, und auch das Subsubgenre der selbstironischen Highschoolkomödie hält, sollte man meinen, keine allzu großen Überraschungen mehr bereit. Und dann kommt „Detention“ von Joseph Kahn daher, der diese Kategorie nicht nur mit neuem Leben versieht, sondern gezielt und mit Verve sprengt, ein Feuerwerk der popkulturellen Selbstreferenz, ein Metafilm par excellence, und ein Monstrum von Film, dessen Handlung schon dreimal leichtfüßig die Richtung gewechselt hat, bevor man so richtig verstanden hat, worum es vorher ging.
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