[REC]3 Genesis

Eine Filmkritik von Lida Bach

Bluthochzeit

Familienfeste sind der Horror. Das entdecken auch Koldo (Diego Martin) und Clara (Leticia Dolera) auf ihrer Hochzeitsfeier. Der leutselige Onkel Victor (Emilio Mencheta) fällt nicht nur aus der Rolle, sondern kopfüber vom Balkon. Schuld ist nicht der Alkohol, sondern ein durch einen Hundebiss übertragener Virus, der sich rasant unter den Gästen ausbreitet. Statt über das Büfett fallen die Infizierten über die restlichen Besucher her. Doch die in dem ausufernden Massaker getrennten Jungvermählten nehmen das Versprechen „in guten wie in schlechten Zeiten“ ernst und kämpfen füreinander so brutal wie ihre zombifizierten Gäste.
Mit dem blutigen Chaos wächst ein Disput zwischen Koldos Cousin und dem für die Feierlichkeiten angeheuerten Kameramann über dessen Video-Dokumentation der Hochzeit. Dass das Gemetzel festgehalten wird, steht nicht zur Diskussion. Die Debatte kreist vielmehr um das „Wie“. Als Koldo schließlich die Frage aufwirft, die sich irgendwann auch das Publikum von [REC]3 Genesis stellt, warum weiter gefilmt werde, erwidert sein Cousin, das die Leute von dem Geschehen erfahren müssten. Als mit dem Subgenre des Found-Footage-Horrors vertrauter Zuschauer ist man bereit, sich mit dieser Pauschalrechtfertigung zu begnügen. Anders Koldo, der weder Paco Plazas und Jaume Belagueros [REC], dessen Fortsetzung [REC]2, noch das amerikanische Remake Quarantine, auf das ebenfalls eine Fortsetzung folgte, gesehen hat. Er beendet die Auseinandersetzung, in der Plaza mit verspielter Beiläufigkeit die Konventionen des Genres desavouiert, mit einem Schlag.

Dieser richtet sich nicht nur im figürlichen Sinne gegen die Kamera, sondern zertrümmert mit ihr auch die trügerische filmische Prämisse. Die Erwartungshaltung des Zuschauers wird ebenso bloß gelegt wie das Innenleben der Kamera, deren technischer Mechanismus zum Symbol für den des Genres wird. [REC]3 Genesis nimmt nicht nur direkten Bezug auf den Voyeurismus, wie es schon mehrere Filme zuvor taten, sondern sabotiert ihn. Das rote Signallämpchen blinkt noch, als seine Außenhülle schon malträtierter Schrott ist. Dann gibt es den Geist auf. Würde von hier aus zurückgespult bis zum Anfang der Trilogie, wäre von den zahlreichen darin in den drastischsten und desaströsesten Varianten gestorbenen Tode dieses bescheidene Abschalten der wohl tragischste. Das Licht, dessen Erlöschen verstörender wirkt als das geballte Sterben der vorigen Teile zusammen, ist kein Lebenslicht. Es ist Leblosigkeit.

Die zentrale Szene gewährt den Protagonisten eine komplexere Rache als das, was an Verteidigungsmaßnamen noch folgen soll: das kaltblütige Beobachten des Todes der Kamera, die bisher teilnahmslose Beobachterin des Sterbens war. Die Eliminierung der Kamera wirkt umso nachhaltiger, weil ihr Überleben in anderen Filmen ähnlicher Machart als einziges sicher scheint. Schon in Blair Witch Project blieb sie zurück als letzter Beobachter, der hinsieht, wenn es die Protagonisten und mancher Zuschauer nicht mehr können. Der Mord an ihr ist zugleich doppelbödiges Fazit und allegorisches Ende des [REC]-Zyklus, der frisches Blut in das Zombie-Genre injizierte. Danach kann nur etwas Neues beginnen.

Der schwerwiegendste Fehler des erstmals ohne Balaguero inszenierenden Regisseurs ist, dass er das Neue sofort beginnt. Während sein vormaliger Co-Regisseur Belaguero mit Sleep Tight seine Prosperität im Thriller-Genre beweist, wird Plaza nach seinem Coup wohl bewusst werden, dass er sich entthront hat.

Mit den Untoten lässt er in [REC]3 Génesis die in den filmischen Vorgängern massakrierten Stereotypen und Funktionalismen auferstehen. Ist das Zyklopen-Auge der Kamera erst einmal geblendet, können es Koldo und Clara, anders als ihre Vorgänger, locker mit den Menschenfressern aufnehmen. Unter dem Deckmantel zweier Horrorfilmcharaktere sind die Kettensäge schwingende Braut mit rotem Strumpfband und ihr Ritter in schimmernder Rüstung lediglich Karikaturen, deren Schmachten nacheinander einer Telenovela entsprungen scheint. Die Rückkehr von den Toten ist dramaturgisch so unschön wie physisch. Als geübter Regisseur des Zombiefilms hätte Plaza das wissen sollen.

[REC]3 Genesis

Familienfeste sind der Horror. Das entdecken auch Koldo (Diego Martin) und Clara (Leticia Dolera) auf ihrer Hochzeitsfeier. Der leutselige Onkel Victor (Emilio Mencheta) fällt nicht nur aus der Rolle, sondern kopfüber vom Balkon. Schuld ist nicht der Alkohol, sondern ein durch einen Hundebiss übertragener Virus, der sich rasant unter den Gästen ausbreitet. Statt über das Büfett fallen die Infizierten über die restlichen Besucher her.
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