Hesher (2010)

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Wenn die Oma mit dem Rocker...

Normalerweise brauchen Menschen nach einem schweren Verlust jemanden, der noch festen Boden unter den Füßen hat. Nicht so in Spencer Sussers furiosem Langfilmdebüt. Hier ist es ein ziemlich durchgeknallter Außenseiter, der neben reichlich Chaos auch ein bisschen Stabilität in eine zerfallende Familie bringt. Ein Trauer-Drama der ganz besonderen Art: ebenso nachdenklich wie wild, makaber und voll schwarzem Humor.

Der 13-jährige TJ (Devin Brochu) und sein Vater Paul (Rainn Wilson) stehen unter Schock. Vor zwei Monaten haben sie ihre Mutter beziehungsweise Frau verloren. Seitdem wohnen sie bei TJs Großmutter. Aber auch sie kann die beiden nicht trösten. Der Vater ist schwer depressiv und verschläft fast den ganzen Tag. Der Sohn schlüpft notgedrungen in die Erwachsenenrolle, schreit dem Vater die Wut über dessen Tatenlosigkeit aber umso heftiger ins Gesicht. TJs schwierige Lage wird zunächst auch durch den mehr als zehn Jahre älteren Hesher (Joseph Gordon-Levitt) nicht besser, der sich ungebeten in das Leben des Jungen drängt. Der langmähnige Heavy-Metal-Freak ist vulgär, rücksichtslos und brutal. Gegen den Willen von Vater und Sohn zieht er in das Haus der Familie ein. Was er dort will — außer zu schmarotzen -, bleibt lange unklar. Irgendwie scheint der unberechenbare junge Mann die Familie ebenso zu brauchen wie sie ihn.

Mit dem Motiv des irrlichternden Fremden schlägt Regisseur Spencer Susser einen ebenso mysteriösen wie witzigen Ton an. Der undurchsichtige Hesher sprengt alle Konventionen und ist mit seinen Tabubrüchen für einige Lacher gut. Damit kippt der Film aber nicht in die Klamotte, sondern hält eine erstaunlich souveräne Balance zwischen Komödie und Drama, garniert mit einigen Action-Szenen und Thriller-Elementen.

Beeindruckend sind vor allem die spannungsreichen Beziehungen zwischen den Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Etwa wenn der am ganzen Körper tätowierte Bürgerschreck eine Seelenverwandtschaft mit der biederen Oma zu pflegen scheint. Oder wenn der viel zu junge TJ romantische Gefühle für die Kassiererin Nicole (Natalie Portmann) hegt, die altersmäßig viel besser zu Hesher passt. Der Regisseur inszeniert die merkwürdigen „Paare“ dabei so eindringlich, dass man merkt: Hier gibt es neben der Komik eine Gemeinsamkeit, die tiefer blicken lässt. Und zwar so, dass genug Rätsel bleiben, um nicht zu psychologisieren.

Die Geschichte von der familiären Trauerarbeit ist oft erzählt worden, zuletzt etwa in Willkommen bei den Rileys. In dem atmosphärisch dichten Kammerspiel gibt ebenfalls ein Außenseiter, in diesem Fall eine junge Stripperin, den Anstoß zur Veränderung. Verglichen mit dem elegischen Ton dieses Films ist Hesher eine Art stilistischer Gegenentwurf: rau und temporeich, respektlos und manchmal auch grenzwertig. Aber selbst wenn sich die fortwährenden Tabubrüche gegen Ende des Films ein wenig abnutzen, beeinträchtigt das nicht den Gesamteindruck: Dass Hesher ein schweres Thema in faszinierend leichter Tonart durchspielt.
 

Hesher (2010)

Normalerweise brauchen Menschen nach einem schweren Verlust jemanden, der noch festen Boden unter den Füßen hat. Nicht so in Spencer Sussers furiosem Langfilmdebüt. Hier ist es ein ziemlich durchgeknallter Außenseiter, der neben reichlich Chaos auch ein bisschen Stabilität in eine zerfallende Familie bringt. Ein Trauer-Drama der ganz besonderen Art: ebenso nachdenklich wie wild, makaber und voll schwarzem Humor.

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