Mein Bruder, der Vampir

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Geschwister-Trio ganz besonderer Art

Dass die Geschwister Klauser eine ganz spezielle Truppe sind, daran besteht von Anfang an kein Zweifel: Da hocken die kräftig pubertierende Nic (Marie Luise Schramm) und der beinahe 30jährige Josch (Roman Knižka) auf dem Dach und beobachten ihren Bruder Mike (Hinnerk Schönemann) beim Geschlechtsakt mit seiner Freundin Nadine (Julia Jentsch). Mike ist damit seiner jüngeren Schwester und seinem älteren Bruder, dessen Gemüt eher das eines Kindes ist, um eine gewaltige Erfahrung voraus, und am Ende dieser schrägen Geschichte werden Josch und Nic, die es heftig dazu drängt, tatsächlich das berüchtigte „erste Mal“ erleben.
Mit Mein Bruder, der Vampir aus dem Jahre 2001 hat der aus Hamburg stammende Regisseur Sven Taddicken (Emmas Glück, 2006, 12 Meter ohne Kopf, 2009) ein famoses Spielfilmdebüt hingelegt, das auf zahlreichen internationalen Filmfestivals ausgezeichnet wurde, bitter-böse bis begeisterte Kritiken erhielt und letztlich seinerzeit absolut zu Unrecht nur ein kleines Kinopublikum erreicht hat. Der Director’s Cut dieser ebenso brisanten wie herzerfrischenden Geschichte erscheint nun mit ansprechenden Extras auf DVD, wobei vor allem der Audiokommentar von Regisseur Sven Taddicken, Drehbuchautor Matthias Pacht und den Hauptdarstellern Roman Knižka und Hinnerk Schönemann prächtige Zusatzunterhaltung bietet, ebenso wie der Kurzfilm El Cordobés von Sven Taddicken aus dem Jahre 1999.

Während Mutter Marlies Klauser (Barbara Stoll) in regelrecht stoischer Resignation eine vom Leben derbe enttäuschte Figur darstellt, explodieren ihre drei Kinder geradezu vor Umtriebigkeit und kruder Lebensfreude. Die fünfzehnjährige Nic bemüht sich mit ihrem räudigen Charme, den skurrilen Gang-Anführer Manu (Alexander Scheer) zu verführen, während der bodenständige Mike, der als Sicherheitskraft arbeitet, die holprige Beziehung zu seiner Freundin Nadine zu erhalten versucht. Und Josch, der überall Einladungen zu seinem bevorstehenden 30. Geburtstag verteilt, ist in einer Werkstatt für Behinderte tätig und kultiviert seine bevorzugte Identität als passionierter Vampir. Sein infantiles Wesen, das er sich bewahrt hat, lechzt danach, endlich einmal zu „bumsvögeln“, wie er es ausdrückt, wobei die Partnerin seiner Wahl ausgerechnet Mikes Freundin Nadine ist. So legt sich sein Bruder mächtig ins Zeug, um Josch eine andere Frau zu organisieren, was einige Turbulenzen für alle drei Geschwister in Gang setzt …

Es sind zuvorderst die sorgfältig installierten Charaktere, mit gigantischer Spielfreude von ganz hervorragenden Akteuren verkörpert, die diesen gewagten Stoff zum Leben erwecken, der schwierige Themen mit bravouröser, komödiantischer Leichtigkeit und sanftem Zynismus jongliert. Starke Bilder und Szenarien, flankiert von der atmosphärisch stimmigen Musik von Thorsten „Putte“ Puttenat, transportieren das Lebensgefühl von Aufbruch, Lebensgier und drängenden Empfindungen junger Geister, die sich konsequent einer gefälligen Mittelmäßigkeit verweigern. Der Kamera von Daniela Knapp gelingt es mit ihrer spielerischen Lebendigkeit, ebenso frische wie die Dramaturgie anregend interpunktierende Akzente zu setzen, welche die inhaltliche Überzeichnung der Handlung formal kongenial unterstützen.

Mit liebevollen, komischen und vor allem abgefahrenen Details ausgestattet stellt Mein Bruder, der Vampir junges deutsches Kino auf hohem Niveau dar, dessen temporeicher Fluss ein mitreißendes Filmvergnügen bietet. Und die humorige Hintergründigkeit dieses grobkörnigen Stoffes ist durchaus geeignet, vielschichtige Inspirationen um den Komplex der Identitätsbildung anzustoßen, nicht zuletzt auch in sexueller Hinsicht. Dass der Film vor allem gegen Ende der Geschichte kräftig gegen ein grundsätzliches gesellschaftliches Tabu rebelliert, betont noch einmal pointiert seine Ungezähmtheit, wobei der Ausklang diesen Aspekt dann doch wieder als einmalige Ausnahme entschärft und jener Leichtigkeit treu bleibt, die nicht moralisiert, sondern eine fiktive Hommage an ein wagemutiges Grenzgängertum ist.

Mein Bruder, der Vampir

Dass die Geschwister Klauser eine ganz spezielle Truppe sind, daran besteht von Anfang an kein Zweifel: Da hocken die kräftig pubertierende Nic (Marie Luise Schramm) und der beinahe 30jährige Josch (Roman Knižka) auf dem Dach und beobachten ihren Bruder Mike (Hinnerk Schönemann) beim Geschlechtsakt mit seiner Freundin Nadine (Julia Jentsch).
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