Fellinis Casanova

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Das ungefällige Porträt eines tragischen Helden

Der Titel transportiert es bereits treffend: Dieser Film aus dem Jahre 1976 ist nicht schlichtweg ein fiktives Porträt des legendären venezianischen Schriftstellers und Lebemannes Giacomo Casanova, der im 18. Jahrhundert als Botschafter des Papstes sowie in eigener Sache als umtriebiger Liebhaber unzähliger Frauen in Europa unterwegs war, sondern eben Fellinis Casanova. Dieser eigenwillige Blickwinkel des großen italienischen Filmemachers Federico Fellini auf die Person und den Mythos Casanovas basiert auf dessen Autobiographie Geschichte meines Lebens / Histoire de ma vie und erscheint eher als mitunter rauschhafte, episodische und pompöse Bilderflut denn als stringent erzählte Geschichte.
Stilisierte Gestalten in Kostümen von farbenfroher Pracht, Masken und Tänze in einem Szenario des Karnevals bilden den visuell starken Auftakt der Geschichte des Giacomo Casanova (Donald Sutherland), der bald darauf im ungleich düsteren Ambiente der Bleikammern von Venedig gezeigt wird. Wegen des Vorwurfs der Ausübung von Schwarzer Magie sitzt der tragische Held in diesem Gefängnis des venezianischen Dogenpalastes ein, aus dem ihm schließlich die Flucht gelingen wird. Was folgt, ist eine Odyssee durch das Europa des 18. Jahrhunderts, ein schräges Roadmovie der sexuellen Obsessionen, bis Casanova letztlich als alter, schrulliger Bibliothekar im Dienste eines Grafen in Böhmen landet, der zeternd seine tägliche Ration Makkaroni verlangt.

Unter anderem mit einem Oskar, einem BAFTA Award und dem Preis der italienischen Journalisten für das Beste Kostümdesign sowie dem David di Donatello Preis für die Beste Filmmusik von Nino Rota ausgezeichnet erwies sich Fellinis Casanova seinerzeit kommerziell als wenig erfolgreich. Allzu unwegsam und artifiziell gestaltet sich die Dramaturgie, die einen unverstandenen, gar verspotteten, selbstverliebten und im Grunde zutiefst einsamen Casanova fokussiert, der in einem lächerlichen Leibchen sexuelle Turnübungen absolviert, immer bereit, gleichwelcher Dame ausdauernd zu Diensten zu stehen. Dennoch entströmt diesem fiktiven Porträt die fesselnde Faszination der Demaskierung einer historischen Figur, deren Legende zu einem geflügelten Wort geworden ist. Ungefällig und mit verstörender Ambivalenz gelingt es Federico Fellini, innerhalb eines bildgewaltigen Szenarios einen kauzigen Casanova zu präsentieren, dessen philosophische Ambitionen und emotionale Sehnsüchte in einem Ozean der geradezu zwanghaften Gelüste versickern. Das ist ganz großes, stilistisch sorgfältig inszeniertes und visuell innovatives Kino, nicht für ein breites Publikum geschaffen, aber eine äußerst ansprechende Annäherung an die außergewöhnlichen Möglichkeiten der Filmkunst jenseits der gängigen Moden.

Fellinis Casanova

Der Titel transportiert es bereits treffend: Dieser Film aus dem Jahre 1976 ist nicht schlichtweg ein fiktives Porträt des legendären venezianischen Schriftstellers und Lebemannes Giacomo Casanova, der im 18. Jahrhundert als Botschafter des Papstes sowie in eigener Sache als umtriebiger Liebhaber unzähliger Frauen in Europa unterwegs war, sondern eben „Fellinis Casanova“.
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