Adel verpflichtet

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Verhängnisvolle Memoiren

Als elegant erzählte Satire über die Standesdünkel der feinen britischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt der Spielfilm Adel verpflichtet von Robert Hamer daher. Die Geschichte eines jungen, ambitionierten Mannes, der sich durch mörderischen Aktionismus an die Spitze der herzoglichen Erbfolge seiner ignoranten, hochherrschaftlichen Familie setzt, gilt als eine der besten britischen Komödien überhaupt und lief 1949 bei den Filmfestspielen von Venedig im Rennen um den Goldenen Löwen.
Da sitzt ein Mann in der Todeszelle eines Londoner Gefängnisses und schreibt an seinen Memoiren, die er seiner Nachwelt zu hinterlassen gedenkt: Der Herzog Louis Mazzini d’Ascoyne (Dennis Price) wurde irrtümlicherweise des Mordes an seinem alten Freund Lionel Holland (John Penrose) für schuldig befunden und legt trotz des Ernstes der nahenden Todesstunde eine erstaunliche Gelassenheit an den Tag, offenbar bereit, sein tragisches Schicksal anzunehmen. Artig begrüßt er den spät am Abend eintreffenden Henker (Miles Malleson) und verlangt für den Morgen der Hinrichtung nichts als ein schlichtes Frühstück.

Derart gestaltet sich die Rahmenhandlung des klug konstruierten Schelmenstückes, die gegen Ende des Films noch mit einigen überraschenden Wendungen aufwartet. Derweil folgt die Dramaturgie den szenisch ausführlich dargestellten Memoiren des gefassten Helden, die in seiner brisanten Lebensbeichte bestehen: In der Tat ist Louis Mazzini ein Mörder, doch ausgerechnet der Mann seiner Geliebten Sibella Holland (Joan Greenwood) zählt nicht zu seinen zahlreichen Opfern. Vielmehr hat Louis nicht unbeträchtliche Teile seiner adeligen Verwandtschaft (Alec Guinness in achtfacher Besetzung) um die Ecke gebracht, um so sein Lebensziel zu erreichen und in den Genuss von Herzogswürden zu kommen.

Auf diese mörderische Weise rächt sich Mazzini an seiner wohlhabenden Familie, die einst seine Mutter (Audrey Fildes) verstieß, als sie mit seinem Vater, einem italienischen Opernsänger, der früh verstarb, durchbrannte und damit zu einem Leben in Armut verurteilt war. Nach dem Tode seiner herzensguten Mutter knöpft sich Louis die Familienmitglieder, die zwischen ihm und dem Herzogtitel stehen, der Reihe nach vor und gelangt in diesem Zuge bereits zu einem ansehnlichen Vermögen. Als er die schöne Witwe Edith (Valerie Hobson) heiraten will, deren Gatten er zuvor ins Jenseits befördert hat, intrigiert seine gekränkte Geliebte Sibella gegen ihn und schiebt ihm den Mord an ihrem Mann Lionel unter, der sich tatsächlich auf Grund seines finanziellen Ruins das Leben nahm. So harrt denn Louis Mazzini in der Todeszelle seines Schicksals in der sicheren Hoffnung, dass es noch längst nicht aller Tage Abend ist, denn er ist sich bewusst, dass Sibella an ihm hängt, und sei es nur aus berechnenden Motiven …

Mit ebenso filigraner wie beißender Komik hält Adel verpflichtet einer snobistischen blaublütigen Gesellschaft den Spiegel vor, nicht ohne auch den Rächer der Ungerechtigkeit – vor allem zum Ende der Geschichte – mit einer kräftigen Portion Ironie zu bedenken. Auch wenn der Film bereits vor über sechzig Jahren inszeniert wurde und so manche damals sicherlich frische Idee bei der heutigen Sichtung ein wenig angestaubt erscheint, überzeugt Adel verpflichtet auch heute noch zuvorderst durch seinen trockenen Humor, der ihm offensichtlich über den Zahn der Zeit hinweg eine konstante Fangemeinde erhalten hat.

Adel verpflichtet

Als elegant erzählte Satire über die Standesdünkel der feinen britischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt der Spielfilm „Adel verpflichtet“ von Robert Hamer daher.
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