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Wim Wenders unsterblicher Klassiker Der Himmel über Berlin feiert mehr als 30 Jahre nach seiner Premiere eine Rückkehr in die Kinos — und das in einer aufwendigen 4K-Restaurierung, die zuerst bei der Berlinale 2018 vorgestellt wird.

Der Himmel über Berlin (1987)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein wohlig-trister Rausch bewegender Emotionen

Mal als distanzierte Beobachter hoch über der Stadt, dann wieder mitten im alltäglichen Geschehen dicht bei den Menschen sind sie in Gestalt zweier Männer in langen Mänteln unterwegs im urbanen Raum Berlins: Die beiden Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander), meistens nur für Kinderaugen sichtbar, die als stille Begleiter der Menschen auf irdischem Territorium vagabundieren, hier einen Sterbenden oder eine Schwangere in den Armen halten und dort vergeblich einem Lebensmüden bei seinem einsamen, verzweifeltem Monolog lauschen. Ihre unbestimmte Mission führt sie auch zu einem Circus, und dort begegnet Damiel in Person der Artistin Marion (Solveig Dommartin) der unausweichlichen Herausforderung seines ein wenig schal gewordenen Engelsdaseins, die ihn letztlich dazu treibt, eine folgenreiche Entscheidung zu treffen: Er verliebt sich in die scheinbar schwerelos durch das Circuszelt schwebende junge Frau und beschließt, erneut in die menschliche Erscheinung zu wechseln, um für die Weile einer sterblichen Existenz seine Sehnsucht nach dem Erleben von spürbaren Sinnlichkeiten zu erfüllen.

Nachdem Wim Wenders in den USA seinen überaus markanten, erfolgreichen Film Paris, Texas (1984) gedreht hatte, der neben etlichen Auszeichnungen die Goldenen Palme in Cannes gewann, nahm er zurückgekehrt nach Deutschland das Projekt Der Himmel über Berlin von 1987 in Angriff und setzte damit der deutschen Metropole mit zauberhaften, von Geschichte und Geschichten umwehten Bildern ein überaus würdiges filmisches Denkmal. Keine stringente Dramaturgie, sondern eine zutiefst atmosphärische, collageartige Anordnung von unterschiedlichen Szenarien und Geschehnissen um die beiden Engel Damiel und Cassiel bilden den roten Faden dieses melancholischen, poetischen Stückes um das menschliche Dasein in seinen banalen wie bedeutsamen Ausformungen. Lyrische Texte des österreichischen Autors Peter Handke sowie das Gemurmel der für die Engel hörbaren Gedanken der zahlreichen Protagonisten vagabundieren durch die ungeheuer eindrucksvolle, perspektivisch vielfältig gestaltete Visualität des städtischen Territoriums, die überwiegend in Schwarzweiß gedreht wurde.

In einer überragend improvisierten Rolle als einstiger Engel, der sich vor einiger Zeit ebenfalls für eine Rückkehr ins menschliche Dasein entschloss, ist der US-amerikanische Schauspieler Peter Falk alias Colombo zu sehen, der im Grunde sich selbst spielt und innerhalb der Dreharbeiten eines fiktiven Films im Film angesiedelt ist, der sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Berlins beschäftigt. In einem Club, den die Artistin Marion besucht, treten die Bands Nick Cave and the Bad Seeds sowie Crime and The City Solution auf, und es sind nicht zuletzt diese ansprechenden, geschickt installierten Details und die Filmmusik Jürgen Kniepers, die die geradezu magische Stimmung am Lebensgefühl des Berlins der 1980er Jahre entlang prägen. Auf diese Weise verweben sich Bilder, Musik und Poesie zu einer komplexen, großartigen Komposition von kognitiver Tiefe, die den Zuschauer zu einem wohlig-tristen Rausch bewegender Emotionen einlädt.

Wim Wenders gewann mit diesem sehr persönlich gestalteten Film den Preis als Bester Regisseur bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes, wo Der Himmel über Berlin uraufgeführt wurde. Weitere renommierte Nominierungen und Preise schlossen sich an, und auch an den Kinokassen vor allem in Deutschland zeigte sich diese künstlerische Hommage an die Menschlichkeit und das Leben erfolgreich. Die DVD, die innerhalb der Edition Deutscher Film bei Arthaus erschienen ist, enthält als Bonus Audikommentare von Regisseur Wim Wenders und Darsteller Peter Falk, deren ebenso aufschlussreiche wie charmante Qualität dazu verführt, sich diesen rundum gelungenen, außergewöhnlichen Film umgehend erneut anzuschauen und sich in diesem Zuge noch nachhaltiger von seinen meisterhaften, ideenreichen Ausprägungen inspirieren zu lassen.
 

Der Himmel über Berlin (1987)

Mal als distanzierte Beobachter hoch über der Stadt, dann wieder mitten im alltäglichen Geschehen dicht bei den Menschen sind sie in Gestalt zweier Männer in langen Mänteln unterwegs im urbanen Raum Berlins: Die beiden Engel Damiel  und Cassiel, meistens nur für Kinderaugen sichtbar, die als stille Begleiter der Menschen auf irdischem Territorium vagabundieren. 

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