Unmoralische Engel

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Margherita, Marceline und Marie

Verwoben in eine Atmosphäre von Erregung, erotischen Mächten und auch sexueller Gewalt visualisiert der polnische Regisseur Walerian Borowczyk in seinem Film Unmoralische Engel aus dem Jahre 1979 drei provokante Geschichten, die von Erzählungen des französischen Schriftstellers André Pieyre de Mandiargues (1909-1991) inspiriert sind. Im Mittelpunkt einer jeden Geschichte steht jeweils eine hübsche junge Frau mit ihren brisanten sexuellen Erfahrungen, gleichermaßen umweht von pornographisch anmutenden wie satirischen Elementen.
Angesiedelt im Künstlermilieu des Zeitalters der Renaissance bildet die längste Sequenz Margherita den Auftakt des Films. Die gleichnamige Heldin (Marina Pierro), die anfangs im ausführlichen Liebesakt mit einem muskulösen Beau gezeigt wird, dem sie anschließend noch einen pathetischen Treueschwur zuruft, wird bald darauf Model und Geliebte des aufstrebenden Malers Raffael (François Guétary). Die Reize der schönen Bäckerstochter finden großen Anklang in den Reihen einflussreicher Kirchenmänner, und gemeinsam mit Raffael narrt sie einen verliebten Kleriker, der allzu hartnäckig um sie wirbt. Doch dann schleicht sich Margherita zu einem heimlichen Rendevous mit ihrem Verehrer, der ihre Bereitschaft zu sexuellen Gefälligkeiten mit drei gut gefüllten Schatztruhen bezahlt. Obendrein überreicht er Margherita schmackhafte Törtchen mit einer vergifteten Kirsche, mit der sie sich des nunmehr lästigen Malers entledigen soll, doch die verschlagene Schöne hat längst ihre ganz eigenen Pläne …

Marceline lautet der Titel der zweiten Geschichte, die von einem verträumten heranwachsenden Mädchen erzählt, das zum Fin de siècle im Haushalt ihrer boshaften, hysterischen Eltern (France Rumilly, Yves Gourvil) lebt und weitaus düsterer gestaltet ist als die erste. In der Abgeschiedenheit einer ländlichen Idylle pflegt die vereinsamt erscheinende Marceline (Gaëlle Legrand) ihre erwachende Sexualität in inniger Verbindung zu ihrem weißen, flauschigen Kaninchen, das auch schon einmal wohlig an ihrem Geschlecht mümmelt. Eines Tages sucht sie vergeblich nach dem Tierchen, und bald darauf verspeist sie ihren Liebling tatsächlich am Mittagstisch, von ihren ob des makabren „Scherzes“ in ungesundes Gelächter ausbrechenden Eltern anschließend aufgeklärt und verhöhnt. Zutiefst verstört und bekümmert schleicht sich Marceline in der Nacht davon und sucht den Metzger auf, der den Haushalt der Familie mit Fleisch beliefert und schon lange ein Auge auf sie geworfen hat. Verlangt es das Mädchen nur danach, die Schafe zu sehen, deren Schlachtschicksal bereits besiegelt ist, deutet der Metzger ihren nächtlichen Besuch als Aufforderung zu unsittlichen Annäherungen, und die Katastrophe nimmt ihren Lauf …

Die letzte Geschichte schließlich spielt im modernen Paris und handelt von der jungen Marie (Pascale Christophe), die mit ihrem wohlhabenden Ehemann (Henri Piegay) in Erledigungen unterwegs ist, auf offener Straße unvermittelt in einen riesigen Karton gezogen und von einem verrückten Sexgangster (Gérard Ismaél) entführt wird. Marie schlägt wiederum einen deutlich heiteren Ton als die vorherige Episode an, und das überraschende, schelmisch-skurrile Ende, bei dem ein über die Maßen engagierter Dobermann als Retter erscheint, lässt den Zuschauer einigermaßen ratlos zurück.

So unterschiedlich sich die Geschichten auch darstellen, zeichnen sich doch alle drei durch eine geschickt inszenierte, mit kuriosen Details ausgestattete Dramaturgie mit finalem Überraschungseffekt sowie durch ihre erotischen Aspekte aus. Wenn Margherita sich mit dem Kleriker Bilder der unterschiedlichsten Positionen des Geschlechtakts anschaut, um im Vorfeld zu entscheiden, zu welcher sie sich mit ihm bereit erklärt, oder der Kidnapper von Marie innerhalb einer spektakulären Tarnung zuschlägt, offenbart der Film seine ansprechend zynischen Züge, die einen geradezu ausgleichenden Gegensatz zu jenen Bildern bieten, die manchem Betrachter sicherlich als pornographisch erscheinen können.

Unmoralische Engel, der nach 25 Jahren der Indizierung nun erstmals in ungekürzter Fassung auf DVD herauskommt, changiert gelungen zwischen Erotik und Pornographie, Drama und Satire sowie Unschuld und Grausamkeit. Dabei weist vor allem die Sequenz Marceline mit starken, oftmals gewöhnlich tabuisierten Symbolen über sich hinaus, während bei Margherita und Marie die unmittelbare Leichtigkeit dominiert. Mit seinen häufig skandalisierten Inszenierungen stellt Walerian Borowczyk (1923-2006) sicherlich einen Ausnahmeregisseur provokanten Stils dar, dessen Filme im Zeitalter der omnipräsenten Erotisierung einmal mehr avantgardistisch anmuten.

Unmoralische Engel

Verwoben in eine Atmosphäre von Erregung, erotischen Mächten und auch sexueller Gewalt visualisiert der polnische Regisseur Walerian Borowczyk in seinem Film „Unmoralische Engel“ aus dem Jahre 1979 drei provokante Geschichten, die von Erzählungen des französischen Schriftstellers André Pieyre de Mandiargues (1909-1991) inspiriert sind.
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