Der Untertan

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Streber von widerwärtigem Charakter

Befasst sich dieser Schwarzweißfilm aus dem Jahre 1951 inhaltlich mit einem sozialpolitisch hoch brisanten Thema, stellt die Literaturverfilmung Der Untertan nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann auch im Zusammenhang mit ihrer Rezeption ein Politikum dar. Der Defa-Film, der in der damaligen DDR von Wolfgang Staudte inszeniert wurde, schlug im Klima des Kalten Krieges als diffamierende Provokation bei der Zensur der Bundesrepublik Deutschland ein, so dass er kurzerhand einige Zeit lang verboten, schließlich in einer gekürzten Fassung zugelassen wurde und erst zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen in seiner Originalversion zu sehen war. Derart gewaltig war offensichtlich die Wirkung des machtgierigen Untertanen Heßling, dass sie bedrohliche Schatten auf die junge Demokratie Westdeutschlands warf, die sich zu diesem Zeitpunkt noch längst nicht mit ihrer jüngsten Geschichte auseinander gesetzt hatte. So sind auch die überwiegend unterkühlten westlichen Kritiken dieser Zeiten zu Der Untertan in diesem Licht zu deuten, die selten ohne weitläufig politisierende Polemik auskommen. Mittlerweile wird das satirische Drama über das Leben eines Mannes von funktionalistischer Mentalität jenseits dieser gesellschaftlichen Wirkungsmacht filmgeschichtlich als formal wie darstellerisch hervorragendes Werk betrachtet, das bis heute nichts von seiner abstoßenden Faszination eingebüßt hat.
Im stark militärisch geprägten Preußen der Kaiserzeit des späten 19. Jahrhunderts ist der Fabrikantensohn Diederich Heßling (Werner Peters) zu einem Mann herangewachsen, der mit Hingabe sein Fähnchen nach dem günstigsten Winde zu richten vermag. Nach seiner von Einschüchterungen und Schlägen durchsetzten Kindheit im Elternhaus und in der Schule tritt er an der Universität der einflussreichen, schmissfreudigen Verbindung Neu-Teutonia bei, wo er wichtige Kontakte knüpft, die ihm später noch von Nutzen sein werden. Als er nach seinem Studium und dem Tod des Vaters in seine Heimatstadt Netzig zurückkehrt, um seine Position als Familienpatriarch einzunehmen und die Papierfabrik zu leiten, macht der angepasste Stratege auf der Welle des Zeitgeistes auch politisch rasch Karriere. „Doktor der Chemie, Neu-Teutone, Fabrikbesitzer und jetzt auch noch Mitglied des Kriegervereins von Netzig – Diederich hatte das göttliche Empfinden, er müsse seinem Schöpfer danken für so viel Gnade“, so der ironische Tenor der Geschichte, die von Voice-over Kommentaren begleitet wird. Auf sozialem Territorium erweist sich Heßling als unbarmherziger Unternehmer seinen Arbeitern gegenüber als selbstherrlicher Tyrann, und sein Umgang mit der Damenwelt charakterisiert ihn als schamlosen, berechnenden Doppelmoralisten – allerdings muss er hier hilflos erkennen, dass seiner Schwester später ein ähnliches Schicksal widerfährt, wie er es einst über seine Geliebte verhängte, die er als Ehefrau ablehnte, weil sie nicht mehr „unberührt“ war.

Der Aufstieg Heßlings, der sich stets am geringsten Widerstand orientiert und im Zuge seiner Moral des größten Eigennutzes von schäbigen Mauscheleien flankiert wird, versetzt den tumben Opportunisten in eine selbstverliebte Euphorie eines Überlegenheitsgefühls, die in einer manisch anmutenden Rede zur Einweihung eines Denkmals Kaiser Wilhelm I. mit patriotischen, kriegshetzerischen Parolen gipfelt. Hier klingt die nationalistisch deklarierte Wucht der militärischen Aggressionen an, die später in den Ersten Weltkrieg münden werden, der den einst prachtvollen Denkmalplatz in einen Trümmerhaufen verwandeln wird. Regisseur Wolfgang Staudte lässt diese pathetische Proklamation in einem wütenden Unwetter verhallen, dem sich das bei aller Satire ernsthaft mahnende Ende anschließt, das dem zerstörerischen Militarismus eine klare Absage erteilt – ein grandioses Finale mit einer Symbolhaftigkeit, die weit über den Rahmen des Films hinausragt.

Stellt Heßling auch den Unsympathen par excellence dar, üben seine feige Unverfrorenheit sowie seine auf der Devise „Wer treten will, muss sich treten lassen“ begründete Fähigkeit, auch gehörig einzustecken, doch eine widerwillige Faszination aus, die vom äußerst überzeugenden Spiel Werner Peters genährt wird. Hier wird einer Haltung der Spiegel vorgehalten, die in ihrer ebenso abscheulichen wie auch zutiefst menschlichen Komponente in den unterschiedlichsten Gesellschaften existiert und gedeiht, unabhängig vom historischen Hintergrund. Und das mit einem nostalgisch verzierten Zynismus, der sich vor allem gegen Ende zunehmend zu einer komischen Posse mit kunstvoll gestalteten Bildern aufschwingt, die von symbolträchtigen Requisiten bevölkert werden. Wenn Heßling vor dem Betreten des Bettes in der Hochzeitsnacht ein Grußwort an den Kaiser entrichtet oder als Innovation unter der Marke „Weltmacht“ in seiner Papierfabrik abrollbares Klopapier mit patriotischen Parolen produziert, offenbart sich die schalkhafte, köstliche Komik, die den Film auszeichnet, der in der Tat eine dramaturgische wie künstlerische Glanzleistung in Schwarzweiß darstellt, die ihren ganz eigenen derben Charme besitzt.

Der Untertan

Befasst sich dieser Schwarzweißfilm aus dem Jahre 1951 inhaltlich mit einem sozialpolitisch hoch brisanten Thema, stellt die Literaturverfilmung „Der Untertan“ nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann auch im Zusammenhang mit ihrer Rezeption ein Politikum dar. Der Defa-Film, der in der damaligen DDR von Wolfgang Staudte inszeniert wurde, schlug im Klima des Kalten Krieges als diffamierende Provokation bei der Zensur der Bundesrepublik Deutschland ein, so dass er kurzerhand einige Zeit lang verboten, schließlich in einer gekürzten Fassung zugelassen wurde und erst zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen in seiner Originalversion zu sehen war.
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