Emir Kusturica - Arthaus Close-Up

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Drei Glanzlichter aus dem Kusturica-Kosmos

Innerhalb der europäischen Filmszene hat er längst einen mitunter ebenso umstrittenen wie klingenden Namen, und der Erfolg seiner abgefahrenen Filme sowohl beim Publikum als auch in den Reihen der Kritiker und Filmfestivals hat ihn rasch zum renommierten Regisseur werden lassen: Der serbisch-französische Filmemacher Emir Kusturica, geboren 1954 in Sarajevo, der bereits zwei Mal beim Internationalen Filmfestival von Cannes die Goldene Palme gewann – 1985 für Papa ist auf Dienstreise / Otac na službenom putu sowie 1995 für Underground – und im Jahre 2005 als Präsident der Jury dieses exklusiven Film-Events berufen wurde. Das Close-Up von Arthaus zu Emir Kusturica, das nun erscheint, versammelt drei seiner mehrfach prämierten, zum Teil explosiv heiteren Filme in einer Edition, die jeder für sich betrachtet ein skurriles Universum seltsamer Charaktere und schräger Geschichten präsentieren.
In der zeitlichen Chronologie bildet Arizona Dream von 1993 mit Johnny Depp, Faye Dunaway, Jerry Lewis, Lili Taylor und Vincent Gallo als bezauberndes Ensemble den Auftakt, der auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Mit dieser gleichermaßen komischen wie melancholischen Geschichte des jungen Axel (Johnny Depp), der Fische auf Grund ihrer Schweigsamkeit schätzt und für eine Weile seine Wahlheimat New York verlässt, um der Hochzeit seines Onkels Leo Sweetie (Jerry Lewis) in Arizona beizuwohnen. Hier macht er die Bekanntschaft der exzentrischen Elaine Stalker (Faye Dunaway), die von der Idee besessen ist, in abenteuerlichen Konstruktionen in die Lüfte aufzusteigen, während sie mit ihrer Stieftochter Grace (Lili Taylor) auf dem Boden eines emotional hoch explosiven Dauerkriegszustandes lebt, in den nun auch Axel und sein filmverrrückter Freund Paul (Vincent Gallo) involviert werden, die beide von der schönen Elaine angezogen werden …

Schwarze Katze, weißer Kater / Crna mačka, beli mačor von 1998 erinnert mit seiner Ansiedlung in einem ähnlichen Milieu an den 1989 erschienenen Die Zeit der Zigeuner / Dom za vešanje, für den Emir Kusturica als Bester Regisseur in Cannes ausgezeichnet wurde. Er sei mit diesem Film auch tatsächlich zu seiner früheren Lebensfreude und der Verbindung zu ebensolchen Figuren zurückgekehrt, bemerkte der als mitunter schwermütig bekannte Filmemacher einmal in einem Interview. Die Geschichte um den unbeholfenen Kleinganoven Matko Destanov (Barjram Severdzan), der plant, einen ganz großen Coup zu landen, stellt in der Tat ein rasantes, gewaltiges und dabei höchst amüsantes Feuerwerk über die vitalisierende Magie des Daseins dar, so unwegsam sich dieses auch gestalten mag.

Im Rennen um die Goldene Palme 2007 trat die satirische Komödie Versprich es mir! / Zavet an, die von der urbanen Odyssee des jungen Tsane (Uroš Milovanović) handelt, der die ländliche Idylle seines schrägen Großvaters (Aleksandar Berček) mit dem Versprechen verlässt, sich in der Stadt eine Braut zu suchen. Auch hier zeigt sich das Motiv des fliegenden Menschen, das den gesamten Film flankiert, und es sind die ebenso liebevoll wie schrullig-markant gezeichneten Figuren in turbulenten Widrigkeiten, die den Charme des Films ausmachen und im kuriosen Kusturica-Kosmos mit ihrer einfallsreichen Unerschütterlichkeit überzeugen.

Die augenfälligste Gemeinsamkeit dieser drei doch sehr unterschiedlichen Filme aus ebensolchen Schaffensperioden des Regisseurs stellt die atmosphärisch einschlagende und berührende Filmmusik dar. Der ebenfalls aus Sarajevo stammende Musiker und Komponist Goran Bregović, der bereits bei Die Zeit der Zigeuner / Dom za vešanje und später bei Underground am Werke war, hat die Musik für Arizona Dream eingespielt, und bei Schwarze Katze, weißer Kater / Crna mačka, beli mačor zeichnen Vojislav Aralica, Dejan Sparavalo und Dr. Nele Karajlic für die abgefahrenen Klänge verantwortlich. Vor allem Letzterer hat bereits auf musikalischer Ebene häufig mit Emir Kusturica zusammengearbeitet und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Band Zabranjeno pušenje, von der sich später The No Smoking Orchestra abgespalten hat, bei dem Emir Kusturica als Bassmann mitspielt. Die Filmmusik aus Versprich es mir! / Zavet stammt wiederum von Stribor Kusturica, dem Sohn des Regisseurs, der damit eine temporeiche und eingängige Meisterleistung hingelegt hat, die charakteristisch für die stimmungsvollen Klangkompositionen in den Filmen Emir Kusturicas ist.

Betrachtet man diese in politischer Hinsicht eher unspektakulären Werke des keine brisanten Positionierungen scheuenden, engagierten Filmemachers, so bietet sich ein farbenprächtiges, bildgewaltiges Kaleidoskop miteinander verwandt erscheinender Figuren dar, denen die rigorose Haltung gemeinsam ist, ihre bei Zeiten gewagte Extravaganz hemmungslos und treffsicher zu kultivieren. Das ist gleichermaßen Filmkunst auf hohem Niveau und vergnügliche bis zündend komische Unterhaltung, die nur scheinbar banale Lebensweisheiten dort ansiedelt, wo sie am notwendigsten erscheinen: Im unwegsamen Milieu der tapferen Randgestalten, die sich schon allein deshalb nicht unterkriegen lassen, weil dies schlicht viel zu langweilig wäre.

Emir Kusturica - Arthaus Close-Up

Innerhalb der europäischen Filmszene hat er längst einen mitunter ebenso umstrittenen wie klingenden Namen, und der Erfolg seiner abgefahrenen Filme sowohl beim Publikum als auch in den Reihen der Kritiker und Filmfestivals hat ihn rasch zum renommierten Regisseur werden lassen.
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