Die linkshändige Frau

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Beim Filmfestival in Cannes, wo er im Wettbewerb um die Goldene Palme antrat, feierte dieser deutsche Film von 1978 seine Premiere, und ging er dort auch leer aus, wurde er 1980 von der Gilde deutscher Filmkunsttheater ausgezeichnet. Mit Die linkshändige Frau hat der Österreicher Peter Handke seinen gleichnamigen Roman verfilmt, zu dem er auch selbst das Drehbuch verfasste. Entstanden ist ein unaufgeregter Film von einer seltsam eindringlichen Ruhe über die leise Lebenskrise einer Frau, der nun innerhalb der Filmverlag der Autoren Edition erstmals auf DVD erscheint.
Da kommt der deutsche Geschäftsmann Bruno (Bruno Ganz), der mit seiner Frau Marianne (Edith Clever) und seinem Sohn Stefan (Markus Mühleisen) in Paris lebt, wieder einmal vom beruflichen Unterwegssein nach Hause zurück und freut sich ganz heftig auf seine Familie, doch Marianne zeigt sich ungewöhnlich distanziert und eröffnet ihm bald unvermittelt, dass sie die Trennung von ihm wünscht. Bruno ist schockiert, zieht aber auf ihr Drängen bereitwillig aus und bemüht sich in der folgenden Zeit zwischen Ärger und Verständnislosigkeit oszillierend darum, seine Frau zurückzugewinnen. Marianne hingegen setzt unbeirrt auf ein neues Leben. Rasch nimmt sie Kontakt zu ihrem alten Freund und Verleger (Bernhard Wicki) auf, um wieder als Übersetzerin zu arbeiten, und organisiert sich als nunmehr allein erziehende Mutter mit ihrem Sohn Stefan, für den die neue Situation zunächst scheinbar keine große Veränderung darstellt.

Auch von ihrem bisherigen Umfeld zieht sich Marianne auffällig zurück, ungeachtet der deutlichen Kritik von ihrer Freundin Franziska (Angela Winkler), die offensichtlich verstärkt mit Bruno in Kontakt steht. Als Mariannes Vater (Bernhard Minetti) sie auf die Initiative von Franziska hin besucht, gemahnt der charismatische alte Herr sie zwar an die Fallstricke der Einsamkeit, wirkt jedoch tröstlich und unterstützend. Die Verzweiflung ist durchaus eine Empfindung, die Marianne heimsucht, doch die Tendenz einer gewaltigen Befreiung fällt schlicht mehr ins Gewicht als die vorherrschende Verlorenheit, die sich allmählich zaghaft zu verflüchtigen beginnt.

Es ist die stille, häufig geradezu phlegmatisch anmutende Art der Frauenfigur in ihren so feinfühlig wie präzise und vor allem in ganz eindrucksvollen Bildern gezeichneten Begegnungen mit den anderen Protagonisten, die diesen Film zu einem unprätentiösen Kuriosum werden lässt. Da wagt diese im Grunde permanent unsicher wirkende Frau mit ihren augenscheinlich unbestimmten Motivationen einen rigorosen Rückzug aus einer gesicherten Normalität in eine unverständliche Vagheit, die sie hartnäckig verteidigt, und katapultiert sich damit in ein selbst gewähltes Alleinsein, das ihrem Umfeld unangebracht und suspekt erscheint, das sie nahezu wie eine Kranke behandelt, über die unter dem Deckmantel der Besorgnis kräftig diskutiert wird. Doch Marianne – ganz hervorragend von Edith Clever verkörpert – erträgt ihr inneres Exil ebenso wie die gelegentlichen Konfrontationen mit der Außenwelt mehr oder weniger tapfer, doch unerschütterlich, bis es für sie selbst an der Zeit ist, dort hervorzutreten, wo sie es wünscht.

Bei aller Schwere besticht Die linkshändige Frau bei Zeiten durch einen ganz besonderen hintergründigen Humor, wenn etwa ein Mann unkommentiert über Marianne aus dem Fenster springt, Stefan mit einem anderen Jungen einen abgefahrenen Kampf im Garten austrägt oder Gérard Depardieu in freundschaftlicher Beteiligung an dem Film in einem T-Shirt mit der signifikanten Aufschrift „Keep Out“ auf dem Bahnhof sitzt. Bildtechnisch betreut vom grandiosen Kamerakünstler Robby Müller und vom Montagemeister Peter Przygodda, der unter anderem dafür den Deutschen Filmpreis in Gold erhielt, stellt der Film neben der berührend unwegsamen Geschichte auch ein ganz außergewöhnliches visuelles Vergnügen dar. Scheinbar banalen Orten wird eine bewegende Bedeutsamkeit verliehen, die sich schlüssig in die Dramaturgie einfügt – ein eher auf den zweiten Blick ganz grandioser Film über die verdrängten Verlorenheiten einer ganzen Ära und eine unspektakuläre Frau, die sich nicht scheut, in diese Abgründe zu blicken, ohne sich letztlich herabziehen zu lassen.

Die linkshändige Frau

Beim Filmfestival in Cannes, wo er im Wettbewerb um die Goldene Palme antrat, feierte dieser deutsche Film von 1978 seine Premiere, und ging er dort auch leer aus, wurde er 1980 von der Gilde deutscher Filmkunsttheater ausgezeichnet.
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