Die Reise

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Kindheit im Schatten der Ideologien

Ein Vater fährt nach Sizilien, um seinen Sohn aus einem Camp von Kindern abgetauchter Terroristen zu entführen und mit ihm gemeinsam zurück nach Deutschland zu fliehen. Das Thema der Reise, das diesen Film durchzieht, manifestiert sich auf zwei unterschiedlichen Ebenen: vordergründig als Flucht, hintergründig als emotional-mentaler Trip in eine unbewältigte Vergangenheit, deren unnachgiebige Klauen noch immer nicht nachlassen, auch das Gegenwärtige schmerzlich zu umklammern.

Bertram Voss (Markus Boysen), dessen autoritärer Vater (Will Quadflieg) zur Zeit des Nationalsozialismus als Verfasser völkischer Lyrik und Prosa überaus erfolgreich war, schließt sich zur Zeit der Studentenbewegung in den 1960er Jahren der radikalen politischen Linken an. Gemeinsam mit seiner Freundin Dagmar (Corinna Kirchhoff) erwartet er ein Kind, doch bereits bald nach der Geburt des kleinen Florians (als Kind: Alexander Mehner) verflüchtigt sich die Beziehung des Paares vor dem Hintergrund der zunehmenden Eskalationen der politischen Gruppe mit der Polizei, zumal mit dem Extremisten Schröder (Claude-Oliver Rudolph) ein Mann in der konspirativen Szene auftaucht, dem sich Dagmar auch in sexueller Hinsicht anschließt. Mit ihm gemeinsam bereitet sie auch in Sizilien ein Attentat vor, als es Bertram gelingt, Florian aus der Gruppe der Terroristen zu entführen. Während Bertram mit seinem Sohn, zunächst verfolgt von Dagmar und Schröder, mit falschen Papieren zurück nach Deutschland reist, steigen die quälenden Bilder seiner jüngsten Vergangenheit und Kindheit in ihm auf, die vor allem sein stark belastetes Verhältnis zu seinem unbelehrbaren Nazi-Vater betreffen …

Der von Markus Imhoof (Das Boot ist voll, 1981, Der Berg, 1990, Flammen im Paradies, 1997) mit beklemmender Intensität inszenierte Spielfilm Die Reise basiert auf dem gleichnamigen, autobiographischen und unvollendeten Roman von Bernward Vesper (1938-1971), der eine Weile der Lebensgefährte der Terroristin Gudrun Ensslin (1940-1977) war und auch gemeinsam mit ihr einen Sohn hatte. Geht der Film auch ein wenig großzügig mit dem literarischen, mittlerweile berühmten Fragment des Autoren um, der letzlich den Freitod wählte, so transportiert er doch äußerst treffend die bedeutsamen Aspekte eines Generationenkonflikts, der sich in seiner Handlung ungeheilt und unheilvoll fortsetzt. Es entsteht zudem ein psychologisch eindringliches und sensibles Bild der allzu häufig vernachlässigten sozialen Komponenten innerhalb der terroristischen Szene, das vor allem mit dem tragischen Ende den Fokus auf die nachfolgende Generation in Person des verlassenen Kindes lenkt, dem diese filmische Reflexion gewidmet ist.
 

Die Reise

Ein Vater fährt nach Sizilien, um seinen Sohn aus einem Camp von Kindern abgetauchter Terroristen zu entführen und mit ihm gemeinsam zurück nach Deutschland zu fliehen.

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