Unter der Sonne Australiens

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die schwere Kindheit des Raimond Gaita

Es ist nicht leicht für den Schmied Romulus (Eric Bana), seinen Sohn Raimond (Kodi Smit-McPhee) in einer kleinen, abgelegenen Gegend ganz allein aufzuziehen, doch auf seine Frau Christina (Franka Potente) ist wenig Verlass. Waren sie vor ein paar Jahren auch gemeinsam von Deutschland nach Australien ausgewandert, um sich dort innerhalb der großzügigen Natur ein neues Leben aufzubauen, hat sich Christina längst nach Melbourne abgesetzt und kommt ihre Familie nur ab und zu besuchen, sehr zum Kummer von Raimond und seinem Vater, der trotz heftiger Enttäuschungen nach wie vor an seiner Frau hängt. Eine große Unterstützung ist ihm sein Freund Hora (Marton Csokas), der die beiden häufig besucht und sich ebenso für das Wohlergehen Raimonds mit zuständig fühlt – immer, wenn es Schwierigkeiten gibt, ist Hora zur Stelle.

Romulus erzieht seinen Sohn nicht selten mit Strenge und Härte, kümmert sich aber dennoch sorgfältig um ihn, bis der Verlauf der tragischen Ereignisse ihn in eine heftige Krise stürzt. Denn Christina, die inzwischen nicht allzu weit entfernt mit Horas Bruder Mitru (Russell Dykstra) zusammenlebt und mit ihm eine Tochter bekommen hat, für die auch dieses Mal hauptsächlich der Vater sorgt, verfällt zunehmend einer depressiven Lethargie, die auch Raimond nicht verborgen bleibt, als er zu Besuch ist. Der Junge übernimmt früh die Verantwortlichkeiten seiner Mutter, zu der sich die emotionale Distanz vergrößert, als er Zeuge wird, wie sie sich mit einem anderen Mann einlässt. Als Mitru nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Christina den Freitod wählt, ist die labile Frau auf sich gestellt – allerdings von Romulus finanziell unterstützt –, denn für Raimond ist es an der Zeit, in ein renommiertes Internat einzutreten, das ihm sein Vater unter einigen Entbehrungen ermöglicht. Als Christina, die ihre Tochter inzwischen im Kinderheim untergebracht hat, ihn dort besucht, ignoriert er ihren Vorschlag, wieder zur Familie zurückzukehren und sagt sich von seiner Mutter los, die sich bald darauf umbringt.

Diese Katastrophe haut vor allem Romulus völlig aus der Bahn, der zunächst an der Idee arbeitet, Christinas kleine Tochter zu adoptieren und eine Frau zu heiraten, mit der er brieflich seit einer geraumen Weile flirtet. Doch als dieser Plan platzt, gleitet er in einen verzweifelten Wahnsinn ab und wird schließlich in die Psychiatrie eingeliefert. Nun sorgt Hora für Raimond, doch als das Geld knapp wird, muss er in der Stadt einen Fabrikjob annehmen, und nun ist der Junge in seinem Alltag ganz auf sich allein gestellt. Aber Raimond reißt sich nach anfänglicher Resignation kräftig zusammen und meistert sein Schicksal, und eines Tages kehrt auch Romulus nach Hause zurück …

Unter der Sonne Australiens / Romulus, My Father von Richard Roxburgh basiert auf dem erfolgreichen Roman Romulus, mein Vater / Romulus, My Father von Raimond Gaita, der heute Professor für Moralphilosophie ist und darin die Geschichte seiner schwerlastigen Kindheit erzählt. Der Film erhielt seit seiner Premiere 2007 beim Filmfestival von Cannes einige Nominierungen und Auszeichnungen, vor allem für die schauspielerischen Leistungen. Doch trotz der engagierten Akteure, dem Potenzial der facettenreichen Geschichte und der hübschen Bilder vermag das Drama insgesamt nicht zu überzeugen, auch wenn durchaus ansprechende Augenblicke auftauchen. Die Handlung wirkt streckenweise recht wahllos selektiert und mit überdeutlich präsentiertem Symbolismus angereichert, einige Szenen haben innerhalb des Konzepts kaum Bedeutung und erscheinen nett, aber ausdrucksarm und sind zudem von überflüssiger Sentimentalität begleitet. Die wahrhaft berührenden Aspekte des Romans fallen hier überwiegend einem allzu gängigen, gefälligen Muster derartiger filmischer Kindheitsgeschichten zum Opfer, so dass Unter der Sonne Australiens sicherlich kein übles, doch ein wenig flaches Werk mit dramaturgischen Schwächen darstellt, die dem Ganzen einen zu ausschnitthaften, beliebigen Charakter verleihen. Nicht unerwähnt sei jedoch eine anregende Botschaft, die der treue Freund Hora – die deutlich gelungenste Figur – dem niedergeschlagenen Raimond mit auf den Weg gibt: „Dinge ändern sich, doch unser Leben ist das, was unsere Gedanken daraus machen.“
 

Unter der Sonne Australiens

Es ist nicht leicht für den Schmied Romulus (Eric Bana), seinen Sohn Raimond (Kodi Smit-McPhee) in einer kleinen, abgelegenen Gegend ganz allein aufzuziehen, doch auf seine Frau Christina (Franka Potente) ist wenig Verlass.

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